Buck Meek – „Haunted Mountain“ (Rezension)

Von Mario Kißler, 25. August 2023

Cover des Albums „Haunted Mountain“ von Buck Meek

Buck Meek – „Haunted Mountain“ (4AD)

7,0

Der musikalische Output aus dem Big-Thief-Umfeld ist und bleibt beeindruckend. Fünf herausragende Alben von Big Thief in den letzten sieben Jahren, dazu die Soloalben der Sängerin und Gitarristin Adrianne Lenker. Und auch Gitarrist Buck Meek veröffentlicht mit „Haunted Mountain“ sein mittlerweile drittes Soloalbum, erstmals auf 4AD. Angesichts der Kreativität von Adrianne Lenker, die für das letzte Big-Thief-Album „Dragon New Warm Mountain I Believe In You“ 19 der 20 Songs im Alleingang schrieb (nur bei „Certainty“ ist Meek als Co-Autor aufgeführt), ist es aber nicht weiter verwunderlich, dass Meek in den zwei Jahren seit dem Vorgänger „Two Saviors“ wieder elf neue Songs zusammenbekommen hat.

Liebeserklärung an die Berge

Nun also „Haunted Mountain“. Der Berg ist hier übrigens nicht nur als Sinnbild zu verstehen. Gebirgslandschaften in Portugal, Griechenland („Cyclades“), der Schweiz und den USA waren eine Hauptinspirationsquelle für das Album. Fünf der elf Songs hat Meek in Kollaboration mit der Folk-Musikerin Jolie Holland geschrieben. Tatsächlich hat Holland ebenfalls eine Version des Titelsongs „Haunted Mountain“ aufgenommen und wird im Oktober gar ihr neues Album unter dem selben Titel veröffentlichen. Sie und Meek hätten den Albumtitel unabhängig voneinander im Sinn gehabt und hätten dies nach kurzem Nachdenken für „bizarr und wundervoll“ befunden, so Holland. Der Song sei eine Liebeserklärung an den Mount Shasta in Nordkalifornien. Die ersten zwei Strophen stammen von Holland, die dritte von Meek. Neben der Liebe zur Natur geht es auf dem Album aber natürlich auch um zwischenmenschliche Gefühle. „Manchmal hat man das Gefühl, dass alle großen Liebeslieder bereits geschrieben wurden“, wird Meek selbst im Pressetext zitiert. Was kann er dem also noch hinzufügen? Zum Beispiel das sanfte und eingängige „Didn’t Know You Then“, das eine Kennlerngeschichte erzählt. Oder das gleichfalls verliebt klingende, im Refrain kurz losrockende „Where You’re Coming From“.

Doch fangen wir vorne an: Gleich im ersten Song des Albums, „Mood Ring“, flirrt die E-Gitarre um das rhythmische Grundgerüst des Songs, wie man es von Big Thief kennt und liebt. Im Verlauf des Albums wird das Songwriting dann jedoch deutlich klassischer und countryesker. In der bereits erwähnten Vorabsingle „Haunted Mountain“ prägt die Pedal-Steel-Gitarre (gespielt von Mat Davidson, der das Album auch produziert hat) den Sound. Meeks sich überschlagende Stimme lässt kurz an Indigo De Souza und ihre tolle, diesjährige LP „All Of This Will End“ denken. De Souza schlug mit ihrem auf Saddle Creek veröffentlichten Album ja zumindest entfernt ähnliche Töne an (Stichwort: Pedal Steel). Und so schließt sich der Kreis: Auf Saddle Creek wurden einst auch Big Thief bekannt. Das verspielte „Undae Dunes“ hätte auf deren bisher klassischstem Rock-Album „Two Hands“ vielleicht auch seinen Platz finden können.

Unaufgeregter Country-Sound statt überirdischem Indie-Folk

Die beiden schönsten Songs warten am Ende des Albums auf: Mit „Lagrimas“ ist Meek eine wunderschöne Americana-Ballade mit einem herrlich shuffelnden Schlagzeug gelungen. Und für den Closer „The Rainbow“ verwendete Meek bisher unveröffentlichte Lyrics der 1979 verstorbenen Folk-Sängerin Judee Sill. Er habe versucht, einen Song in ihrem Stil zu schreiben. Herausgekommen ist ein verträumtes, zweiminütiges Kleinod, das einen in den Laurel Canyon der 70er-Jahre versetzt und Lust macht, sich eingehender mit Judee Sill zu beschäftigen.

Auch wenn es natürlich nicht ganz fair ist, Meeks Solowerk ständig mit seiner Hauptband zu vergleichen, da dies sicher mitnichten sein Anspruch war: Das musikalisch wie textlich konventionellere Songwriting auf „Haunted Mountain“ markiert neben dem Fehlen der Gesangsharmonien von Lenker und Meek den entscheidenden Unterschied zur überirdischen Version von Indie-Folk, die Big Thief so besonders macht. So grandios Meeks Gespür für Harmonien als Backing-Vocalist ist, kann er als Leadsänger nicht das gleiche Spektrum an Emotionen bereithalten wie Lenker. Zudem mag der eine oder andere Meek-Fan den Lo-Fi-Charme des Vorgängers „Two Saviors“ vermissen. Mit seinem unaufgeregten Country-Sound kann „Haunted Mountain“ dennoch sicher in vielen Momenten ein schöner Begleiter sein. Zum Beispiel als Soundtrack für einen Roadtrip über Gebirgsstraßen. Oder für den Moment, wenn man bei einer Hüttenwanderung auf der Hütte angekommen ist und die Füße hochlegt. Meek, der mittlerweile in den Santa Monica Mountains in Südkalifornien lebt, scheint in den Bergen jedenfalls ein neues Zuhause gefunden zu haben: „Now that I live here on this haunted mountain/ I know I’m never coming down again.“

Veröffentlichung: 25. August 2023
Label: 4AD

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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