Die US-amerikanische Indie-Band Mamalarky ist ein schönes Beispiel dafür, wie geschmeidig sich die Bandkultur an die flexibilisierten Lebensgewohnheiten im 21. Jahrhundert angepasst hat. So sind aus ehemals starren Bandapparaten eher lose Einheiten geworden, die episodisch zusammenfinden, um gemeinsam Musik zu machen. Keine schlechte Sache per se, denn die 24/7-Institutionalisierung von Popmusik hat in der Vergangenheit vielfach toxische Räume geschaffen. Nicht selten sind dort regelmäßig männliche Rockstar-Egos aufeinandergeclasht. Dann lieber Urlaub machen: Für die Aufnahmen zu „Pocket Fantasy“ vor drei Jahren haben Livvy Bennett, Michael B. Hunter, Dylan Hill und Noor Khan von Mamalarky ein altes Haus bei Atlanta angemietet, das neue Album „Hex Key“ ist im eigenen Heimstudio in Los Angeles entstanden.
Dieses DIY-Ethos gehört seit der Gründung als Highschool-Band in Austin im Jahr 2016 zum Programm. Die texanische Boom-Stadt – eine Insel des Liberalismus im Bundesstaat der Cowboyhüte – bot mit ihrer unabhängigen, selbstorganisierten Musikszene den Individualist*innen Mamalarky die entsprechende Bühne. Insofern ergibt es Sinn, dass die Band mittlerweile bei Epitaph Records von Bad-Religion-Gitarrist Brett Gurewitz untergekommen ist, einem Label, das in den vergangenen Jahren immer mal wieder scheuklappenfrei über den Tellerrand des melodischen Punkrock geblickt hat.
Genre-Hopping mit Haken und Ösen
An der stilistischen Herangehensweise hat sich bei Mamalarky nichts Grundlegendes geändert: Wie ein musikalischer Gemischtwarenladen spielt die Band weiterhin jedes Genre. Dabei werden luftige Arrangements mit spielerischen und produktionstechnischen Haken und Ösen versetzt. Es scheint die Lifetime-Aufgabe der Band zu sein, ihr ideensprudelndes Songwriting in einigermaßen konventionelle Songgefäße zu gießen. In „#1 Best Of All Time“ trifft ein analoger Breakbeat auf nervenaufreibende Synthesizer und den atemlosen Sprechsingsang von Bennett. Dazu ein Bass, der klingt, als wolle er die Treppen eines Hochhauses rauf- und runterlaufen. Dass solche Wagnisse voneinander entgegenlaufenden Rhythmen nicht zu einem unhörbaren Soundbrei verkommen, ist nicht nur der Fingerfertigkeit der Musiker*innen und der Detailarbeit im Studio zu verdanken. Gereifte musikalische Persönlichkeiten sind auch immer gute Teamplayer, Mamalarky wissen das. Ob das Quartett in einer symbiotischen Kreativ-Beziehung lebt oder alles nur präzises Handwerk ist? Wahrscheinlich trifft beides zu. Metalbands oder andere Freunde „handgemachter Musik“ erzählen ja manchmal, sie hätten ein neues Album zusammengeschraubt – vielleicht bezieht sich darauf der dem Album seinen Namen gebende „Hex Key“ (auf Deutsch als „Sechskant“ oder „Inbusschlüssel“ bekannt), der auch das Cover des Albums ziert.
Dagegen schielen Songs wie „Won’t Give Up“, „Take Me“ und „The Quiet“ eindeutig in Richtung opulentem female pop. Und die Single „Anhedonia“ ist ein recht straighter Coming-of-Age-Song mit Lo-Fi-Indie-Appeal. Es ist ein Zwiespalt, der sich durch das gesamte Album zieht: Weil die Band ihr ausgeflipptes Sounddesign nicht verwerfen möchte, wirkt „Hex Key“ eher wie eine Compilation, was den direkten Zugang zum emotionalen Kern mitunter erschwert. Im letzten Albumdrittel gibt es nochmals ein letztes Genre-Hopping: Da werden reihenweise eher schläfrige Genres wie Bedroompop, Soul und Psychedelia nervös gegen den Strich gebürstet. Wenn sich „Nothing Lasts Forever“ und „Blush“ an jazzigem R’n’ B versuchen, traut sich Bassistin Noor Khan bis in die schwindelerregenden Funk-Höhen von Thundercat. Und die fragile Gitarre beim abschließenden „Here’s Everything“ hat sich Bennett von King Krule ausgeborgt. Einen solchen Meister der Reduktion hatten Mamalarky bisher nicht im Portfolio. Aber es gibt ja noch Aufgaben für die Zukunft.
Veröffentlichung: 11. April 2025
Label: Epitaph