Was ist Musik Swedish Congo & eine Tasse London Hi-Life-Tee – afrikanische Projektionen, Projektionen um Afrika
Ausgabe vom 08.03.2015: Swedish Congo & eine Tasse London Hi-Life-Tee – afrikanische Projektionen, Projektionen um Afrika
"Europa bildet nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt", schreibt Achille Mbembe, der 1957 in Kamerun geborene Theoretiker des Postkolonialismus in "Kritik der schwarzen Vernunft". Fatima Al Qadiri – zur Welt gekommen im Senegal, aufgewachsen in Kuwait, später in London und New York daheim – stellt in der letzten SPEX "ziemlich ungehalten fest, dass die europäischen Journalisten sie langsam damit nerven, dem 'Projekt einen Rassenaspekt' geben zu wollen. 'Das liegt nicht in unserem Interesse', fügt sie energisch hinzu. 'Unser Name soll bitteschön nicht in gewisse Diskursschubladen gesteckt werden. Er hat nichts mit Rasse zu tun. Unser Projekt ist geradezu das Gegenteil, unsere Bemühung, uns nicht kategorisieren zu lassen, unsere Ideen nicht gefangen nehmen zu lassen.'"
Die Rede ist von Future Brown, dem Projekt von Al-Qadiri und weiteren drei Leuten, deren Vorfahren aus Indien, Puerto Rico, Dom Rep und Iran in die USA gekommen sind. Im selben Heft erklärt Matana Roberts, aufgewachsen in Chicago, wohnhaft in New York, „dass die Südstaaten Ausland sind. (…) Ich fühle mich in Deutschland weniger fremd als in den Südstaaten.“
Wenn man, wie Mbembe, den transatlantischen Sklavenhandel und den Kolonialismus als Blaupause künftiger Globalisierung begreift, dann fällt es schwer, Future Brown nicht in Diskursschubladen zu stecken, und wenn es nur die feundliche Zuschreibung ist, dass ein migrantisches, transnationales Leben wie das von Al Qadiri & Co auch Chancen bietet: neue Autorinnensubjektivität, neue Medialität. Gerade dieser kaum aufzulösende Widerspruch war ja so toll an Al Qadiris „Asiatisch“: hier die Unmöglichkeit, diese Musik zu lokalisieren, sie kurzzuschließen mit ihrer Biografie, dort die Unmöglichkeit, das kryptisch Hybride von „Asiatisch“ nicht biografistisch herleiten zu wollen. Nicht mal das Verfahren De-Ethnisierung durch Über-Ethnisierung schien greifen zu wollen. Nach dieser Methode ging in den Neunzigern die Band FSK vor, als sie sich auf die Spuren von deutschen, österreichischen und böhmischen (siehe auch Thomas Meineckes flankierende „Texas Bohemia“-Reihe) Einwanderern in der texanischen Provinz begab und aus den Luftwurzeln dieser Musik transatlantische Bastarde schuf, so dass jeder Versuch der ethnischen Zuschreibung qua Reinheitsgebot etc. zum Scheitern verurteilt war.
Melting Pot statt Salad Bowl.
Auch wenn Europa nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt bildet, hat sich wenig geändert am europäischen Blick auf Afrika. Für viele beginnt Afrika inzwischen ja in Griechenland.
Wenn Deutsche über Afrika reden, dann wird es schnell problematisch: die Furcht vorm schwarzen Planeten, die Angst vor Ebola, als sei der ganze Kontinent verseucht. Im Gegenzug: die gutgemeinte Begeisterung für afrikanische Musik. Wo doch niemand von europäischer Musik sprechen würde, um finnischen Black Metal, portugiesischen Fado, französischen HipHop und britischsten Brit-Pop unter einen Hut zu zwängen. Was uns zu “The Swedish Congo Record” bringt.
Fortsetzung in der nächsten SPEX, Gegenwartskunde. Sound hier bei Was ist Musik.
Die Rede ist von Future Brown, dem Projekt von Al-Qadiri und weiteren drei Leuten, deren Vorfahren aus Indien, Puerto Rico, Dom Rep und Iran in die USA gekommen sind. Im selben Heft erklärt Matana Roberts, aufgewachsen in Chicago, wohnhaft in New York, „dass die Südstaaten Ausland sind. (…) Ich fühle mich in Deutschland weniger fremd als in den Südstaaten.“
Wenn man, wie Mbembe, den transatlantischen Sklavenhandel und den Kolonialismus als Blaupause künftiger Globalisierung begreift, dann fällt es schwer, Future Brown nicht in Diskursschubladen zu stecken, und wenn es nur die feundliche Zuschreibung ist, dass ein migrantisches, transnationales Leben wie das von Al Qadiri & Co auch Chancen bietet: neue Autorinnensubjektivität, neue Medialität. Gerade dieser kaum aufzulösende Widerspruch war ja so toll an Al Qadiris „Asiatisch“: hier die Unmöglichkeit, diese Musik zu lokalisieren, sie kurzzuschließen mit ihrer Biografie, dort die Unmöglichkeit, das kryptisch Hybride von „Asiatisch“ nicht biografistisch herleiten zu wollen. Nicht mal das Verfahren De-Ethnisierung durch Über-Ethnisierung schien greifen zu wollen. Nach dieser Methode ging in den Neunzigern die Band FSK vor, als sie sich auf die Spuren von deutschen, österreichischen und böhmischen (siehe auch Thomas Meineckes flankierende „Texas Bohemia“-Reihe) Einwanderern in der texanischen Provinz begab und aus den Luftwurzeln dieser Musik transatlantische Bastarde schuf, so dass jeder Versuch der ethnischen Zuschreibung qua Reinheitsgebot etc. zum Scheitern verurteilt war.
Melting Pot statt Salad Bowl.
Auch wenn Europa nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt bildet, hat sich wenig geändert am europäischen Blick auf Afrika. Für viele beginnt Afrika inzwischen ja in Griechenland.
Wenn Deutsche über Afrika reden, dann wird es schnell problematisch: die Furcht vorm schwarzen Planeten, die Angst vor Ebola, als sei der ganze Kontinent verseucht. Im Gegenzug: die gutgemeinte Begeisterung für afrikanische Musik. Wo doch niemand von europäischer Musik sprechen würde, um finnischen Black Metal, portugiesischen Fado, französischen HipHop und britischsten Brit-Pop unter einen Hut zu zwängen. Was uns zu “The Swedish Congo Record” bringt.
Fortsetzung in der nächsten SPEX, Gegenwartskunde. Sound hier bei Was ist Musik.
Weitere Ausgaben von Was ist Musik
Playlist
1. |
Fantasma / Basbizile Free Love / Soundway |
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2. |
Peder Mannerfelt / The Ceremonial Drums of Chief Kokonyange The Swedish Congo Record / Tailored |
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3. |
Bobby Benson & His Combo / Niger Mambo Highlife on The Move – Selected Nigerian and Ghanaian Recordings from London & Lagos / Soundway |
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4. |
Fantasma / Shangri-La (Maramza Remix) Free Love / Soundway |
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5. |
DJ Mujava / Township Funk Township Funk / Strut |
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6. |
Fantasma / Sophiatown Free Love / Soundway |
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7. |
Spoek Mathambo / Control Control / Soundway |
… |
8. |
Peder Mannerfelt / Circumcision Dance The Swedish Congo Record / Tailored |
… |
9. |
Peder Mannerfelt / Circumcision Atmosphere The Swedish Congo Record / Tailored |
… |
10. |
Peder Mannerfelt / Circumcision Bird The Swedish Congo Record / Tailored |
… |
11. |
Peder Mannerfelt / Batwa Pigmy Dance 1 The Swedish Congo Record / Tailored |
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12. |
Peder Mannerfelt / Chief Karumi´s Dance The Swedish Congo Record / Tailored |
… |
13. |
Peder Mannerfelt / Omande The Swedish Congo Record / Tailored |
… |
14. |
Fela Ransome-Kuti / Nigerian Independence Highlife on The Move – Selected Nigerian and Ghanaian Recordings from London & Lagos / Soundway |
… |
15. |
Steve Rhodes and His London Hi-Lifers / Drink a tea Highlife on The Move – Selected Nigerian and Ghanaian Recordings from London & Lagos / Soundway |
… |
16. |
Steve Rhodes and His London Hi-Lifers / Oju Rere Highlife on The Move – Selected Nigerian and Ghanaian Recordings from London & Lagos / Soundway |
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