Arlo Parks – „My Soft Machine“ (Album der Woche)

Cover des Albums „My Soft Machine“ von Arlo Parks, das unser Album der Woche ist

Arlo Parks – „My Soft Machine“ (Transgressive)

Schwerelosigkeit ist eigentlich ein sehr erstrebenswerter Zustand. Zumindest auf emotionaler Ebene. Ohne nach unten ziehende Sorgen und Verpflichtungen durch den Tag zu schweben, klingt nach einem ziemlich angenehmen Grundgefühl. Doch die danach benannte Single „Weightless“ von Arlo Parks beschreibt eine etwas andere Situation. „I am starved of your affection, you are crushed under the pressure / But you won’t change, no you won’t change“, singt die Britin. Sie beschreibt eine einseitige, toxische Beziehung. Parks‘ Ich-Erzählerin braucht die Bestätigung ihrer Partnerin, doch ihr Gegenüber verschließt sich. Parks möchte nicht auf sie warten. Doch sie braucht sie, also tut sie es trotzdem. Das Wort „Weightless“ wird im Song nicht gesungen, eine Bedeutung lässt sich nur aus dem Kontext erschließen. Parks wird von ihrer sie auf Abstand haltenden Partnerin in der Schwerelosigkeit gehalten, ohne Möglichkeit, sich an irgendetwas festzuhalten. Und das ist alles andere als angenehm.

Dieses mehrdimensionale Storytelling ist eine der großen Stärken von Arlo Parks. Ihre sanft groovende Indie-R&B-Pop-Musik verbarg von Anfang an genauso subtile wie persönliche Poesie. Schon die 2018er Debütsingle „Cola“ war eine bittersüße Abrechnung mit einer fremdgehenden Ex-Partnerin, in der sie mit wenigen Worten maximale Wirkung erzielen konnte („I loved you to death / But now I don’t really care“ – ihr erster großer Mic-Drop-Moment). Das 2021er Debütalbum „Collapsed In Sunbeams“ setzte diesen Ansatz fort und heimste dabei so ziemlich jeden Musikpreis ein, den man als junge Musikschaffende gewinnen kann, vom Mercury Prize über den BRIT Award bis zu zwei Grammy-Nominierungen. Dementsprechend viel Druck liegt auf dem Nachfolger – was man ihrer zweiten Studio-LP „My Soft Machine“ aber zu keiner Sekunde anmerkt.

Schlichte Bilder, komplexe Situationen

Das einzige Element, an dem sich Parks‘ Wandel vom DIY-Act zum Indie-Superstar feststellen lässt, ist der Sound. Der ist etwas glatter geworden, unterstützt von Blockbuster-Produzent Paul Epworth (Adele, Florence + The Machine, U2, Coldplay, etc.). Parks balanciert die Klang-Politur mit Referenzen an 90er-Jahre-Indie-Darlings wie My Bloody Valentine oder Yo La Tengo aus – eine Mischung, die besser funktioniert, als man denken würde. In „Devotion“ treffen an The Smashing Pumpkins erinnernde Reizüberflutungs-Gitarren auf eine slicke R&B-Hookline – und das Ergebnis ist pures Pop-Endorphin. Auch „Dog Rose“ erinnert an den Gen-Z-Indie-Rock von Parks‘ Landsfrau Nilüfer Yanya. „Pegasus“, ein Duett mit Phoebe Bridgers, ist gleichzeitig maximal catchy und mit zarter Zurückhaltung arrangiert. „Blades“ ist sanft ins Blut schießender Synth-Funk mit HipHop-Breakdown. Die Kanten wurden abgefeilt, ohne dabei Parks‘ grundlegende Musikalität zu beschränken.

Am Ende sind es aber die Texte, die „My Soft Machine“ zu einem Ereignis machen. Parks kann mit schlichten Bildern komplexe Situationen in ihrer vollen Wirkung einfangen. „I know it’s hard to be alive sometimes“, ist das Mission-Statement des Songs „Impurities“. Im Verlauf des Albums beschreibt sie ihr Ringen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie schwierig es ist, Verletzlichkeit zu zeigen und wie wunderbar und angsteinflößend die Liebe sein kann. Die Themen sind nicht neu, aber von Parks immer und immer wieder aus neuen Blickwinkeln betrachtet. Abgedroschene Klischees verwandeln sich in euphorische Offenbarungen („I used to hate it when people said that shit / But I mean it / you make me feel free“, heißt es in „Devotion“). Und verliebte Schwerelosigkeit entpuppt sich als toxischer Kreislauf.

Veröffentlichung: 26. Mai 2023
Label: Transgressive

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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