The Saxophones – „To Be A Cloud“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 5. Juni 2023

Cover des Albums „To Be A Cloud“ von The Saxophones, das unser Album der Woche ist

The Saxophones – „To Be A Cloud“ (Full Time Hobby)

Eine Wolke stirbt nie. Sie befindet sich in einem ewigen Kreislauf. Sie regnet als Wasser herab, verdampft und kehrt wieder in den Himmel zurück. Wieso sollte man also einer Wolke nachweinen? Diese Frage stellt der vietnamesische Mönch Thích Nhất Hạnh in seiner Schrift „No Death, No Fear“. Dabei geht es ihm natürlich um mehr als nur um ein interessantes Wetterphänomen. Denn Angst vor Veränderung und dem Tod halten uns Menschen davon ab, den natürlichen Kreislauf der Vergänglichkeit des Lebens zu betrachten. „Leid entsteht, wenn wir versuchen, eine Person, einen Moment oder eine Erfahrung zu bewahren und dabei nicht erkennen, dass alle Dinge sowohl vergänglich als auch zyklisch sind.“

Letzteres Zitat stammt nicht von Hạnh, sondern von Alexi Erenkov, dem Sänger, Texter, Gitarristen und Holzbläser von The Saxophones. „No Death, No Fear“ war nicht nur ein großer Einfluss auf die persönliche Weltsicht des US-amerikanischen Musikers, sondern auch auf das dritte Album seiner Band – das frei nach Hạnh „To Be A Cloud“ betitelt wurde. „Wir verweigern gerne die Tatsache, dass der Tod unausweichlich ist“, ergänzte er im Interview mit ByteFM. „Würden wir ihn wie die sich stets wandelnden Wolken im Himmel betrachten, wären wir vielleicht ein bisschen offener und ruhiger.“

Ist diese Lebensphilosophie das Geheimnis von The Saxophones? Es fällt definitiv schwer, sich Musik vorzustellen, die noch ruhiger und offener ist als die dieses Duos. Schon auf dem 2018er Debütalbum „The Songs Of The Saxophones“ spielten Erenkov und seine Ehefrau, die Schlagzeugerin Alison Alderdice, wunderschöne Musik in Zeitlupe. Ihre Jazz-Akkorde, Floortom-Tupfer und betörenden Vibraphone, Flöten und Saxofone kreisten im Gletschertempo um Erenkovs balsamierende Bariton-Stimme.

Idyllische Klangcumuluswolken

Diese mystische Gemütlichkeit setzten sie auch auf dem 2020er Nachfolger „Eternity Bay“ fort. Und auch „To Be A Cloud“ bietet zunächst einmal nichts Neues: Die Musik von The Saxophones ist immer noch ein in Töne verwandelter Baldrian-Rausch, irgendwo zwischen Lee Hazlewoods Psych-Folk, dem harmonischen Slow-Core der frühen Low und einem Angelo-Badalamenti-Soundtrack.

Wenn man ganz genau in diese Klangcumuluswolken schaut, lassen sich doch einige Veränderungen feststellen. Erenkov und Alderdice haben ein Faible für ungewöhnliche kreative Orte (das Debütalbum entstand auf dem Hausboot, auf dem das Ehepaar damals noch lebte) – dieses Mal wurden die Songs komplett in dem Unknown Studio von Phil Elverum (aka Mount Eerie) aufgenommen, das in einer leerstehenden Kirche eingerichtet wurde. Diese sakrale Aura ist auch in der Musik spürbar, mit schier ewig langem Nachhall. Der Jazz ist dieses Mal etwas mehr im Fokus, Erenkov spielt sogar einige Soli, wie im fast schon triumphalen Höhepunkt von „Desert Flower“ oder im sanften Outro von „In My Defense“.

Dass die musikalische Schönheit tiefere Ebenen verbirgt, zeigen die Texte, in denen Hạnhs Gedanken über Sterblichkeit und Zyklen nachhallen. Erenkov und Alderdice sind mittlerweile Eltern zweier Söhne – eine Perspektive, die diese Gedanken noch einmal verstärken kann. Nach Sonnenuntergang, wenn die Kinder schliefen, schrieben die beiden Songs, die oft direkt an ihre Kinder gerichtet sind. „I give myself a second chance through you, it’s true / That’s why I do the things I do“, singt Erenkov in „Boy Crazy“. Eine von vielen ehrlichen elterlichen Selbstreflexionen, die die klangliche Idylle von „To Be A Cloud“ anreichern. Die Songs von The Saxophones mögen langsam, fast unbeweglich anmuten. Doch sie sind stetig im Fluss.

Veröffentlichung: 2. Juni 2023
Label: Full Time Hobby

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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