Sirens Of Lesbos – „Peace“ (Rezension)

Von Lukas Harth, 26. September 2023

Cover des Albums „Peace“ von Sirens Of Lesbos

Sirens Of Lesbos – „Peace“ (Sirens Of Lesbos)

7,0

„Peace“ – so heißt das zweite Album der Schweizer Band Sirens Of Lesbos. In mehr als zehn Jahren Bandgeschichte hat sich vor allem in jüngster Vergangenheit einiges verändert. Nicht nur die Besetzung der Schwestern Jasmina und Nabyla Serag am Mikrofon, auch der damit verbundene Genrewechsel hat der Formation gut getan: Weg von Ibiza-Dance-Hits hin zu ideenreichem Neo-Soul und Worldbeat, mit dem sich die Band auf ihrem Debüt „SOL“ bereits 2020 ein begeistertes, internationales Publikum erspielte.

Eine Hammond-Orgel, ein softes Bassmotiv und die Drum-Hits an den richtigen Stellen – die Zutaten für ein vielversprechendes R-’n’-B-Erlebnis im Sinne Frank Oceans oder Anderson .Paaks. Das alles findet sich bereits im Albumopener namens „Bowie“. Dabei irritiert der Titel etwas, denn Bezüge zum britischen Popstar lassen sich erst einmal nicht finden. Geht es also um das amerikanische Jagdmesser, benannt nach James Bowie? Darauf könnte zumindest die Hookline hindeuten: „At the end of the day / Everything you chase / Runs away, they say.“ Nur, was jagen wir denn? Das erste Wort dieses Albums lautet „Bugatti“, gefolgt von vielen weiteren Produkten des Luxus-Segments. Dabei führen die Lyrics, gewollt oder ungewollt, tatsächlich schon ganz gut in ein Themenfeld dieses Albums ein: materielles Verlangen.

Synth-Layer & 80s Revival

„Baybaybae“ ist eines von zwei Instrumentalstücken auf der Platte. Das Saxofonsolo besticht mit einem smoothen Synth-Layer, das 80s-E-Piano mit überraschenden Glitches. Alles vor der Kulisse einer Steely-Dan-Produktion führt der Track wie ein Guide tiefer ins Album ein. Schon auf dem Vorgängeralbum „SOL“ hat sich die Band Unterstützung des amerikanischen HipHop-Produzenten Christo geholt, der auch bei „Peace“ wieder die Finger an den Reglern hatte: „Run Run Run“ erhöht den Puls auf der 80er-Revival-Party – „I’m so excited and I just can’t hide it!“

Der Skit „After The Beep“ wäre nach diesem flotten Vorgeschmack allein aufgrund der hohen Dichte an Interludes verzichtbar gewesen, sind einige Hörer*innen doch vermutlich gerade in Wallung gekommen. Die aufs Band gesprochene „Ansage“ lässt wenigstens einmal genauer auf den Text blinzeln, der wohl die zentrale Rolle spielen soll: Hier bekommt jemand einen Denkzettel auf dem AB verpasst. Was nach unüberlegter Kurzschlussreaktion klingt, entpuppt sich auch als solche. Die aneinandergereihten Vorwürfe erinnern an eine Fingerübung und die Kernaussage „Du besitzt so viel, aber weißt nicht, was Liebe ist“ bleibt letztlich zu allgemein und somit belanglos.

Genreübergreifend in Topform

Dass nicht alle Texte auf ganzer Linie überzeugen können und damit etwas im Schatten der raffinierten musikalischen Seite von „Peace“ stehen, lässt auch „(I don’t know, I don’t know, I don’t know)“ erahnen. Die Lyrics bestätigen diesen Eindruck sogar selbst: „What I want is deeper, though / Hard to put in words, you know.“ Hier fragt sich die Protagonist*in, warum sie sich trotz durch Geschenke erkaufter Liebe und einer offenbar toxischen Wesensveränderung der Partner*in einfach nicht von ihr trennen kann. Dabei erfahren die Hörer*innen allerdings ausschließlich berechtigte Gründe für eine Trennung – die nicht mehr ganz zeitgemäße, bittersüße Abhängigkeit ist dadurch nur schwer nachzuvollziehen.

Hörten wir im Opener bereits den US-amerikanischen Rapper Erick The Architect, der auch schon auf dem letzten Jungle-Album vertreten war, bietet die zweite Hälfte dieses Albums noch bereichernde Features mit UK-Rapper Treasure Blood, dem Sänger Dreamcastmoe aus Washington oder der Funk-Legende Bootsy Collins. (Im Interview im ByteFM Magazin erzählten die Schwestern Serag, auf welch unprätentiöse Weise diese Zusammenarbeit zustande kam.)

Nach den Tracks „Easy“ und „Weeping Pine“, die in der Mitte des Albums mit jeweils Country- und Dub-Einflüssen den Schwung des Anfangs noch nicht wieder aufnehmen können, zeigen sich Sirens Of Lesbos insbesondere im Dreamcastmoe-Feature „Everything“ als eine Band, die genreübergreifend in Topform ist und mit Leichtigkeit Electronica-Tracks wie von Sbtrkt in gleicher Qualität abliefern kann. Und wer dann noch einen Hit vermisst, bekommt ihn mit „Sweet Harmony“ samt einprägsamer Hookline, Drum-’n’-Bass-Abstecher und – wirklich wahr – einer funky Cowbell, die nicht nervt. Aus der Vogelperspektive schaut das letzte Stück „8 Billion“ mit Bootsy Collins (James Brown, P-Funk) im feierlichen Gospel-Finale auf diese unsere Welt, die nach „Peace“ zumindest etwas friedlicher aussieht.

Veröffentlichung: 22. September 2023
Label: Sirens Of Lesbos

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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