Bilderbuch – „Mea Culpa“ / „Vernissage My Heart“ (Rezension)

Cover von „Mea Culpa“ und „Vernissage My Heart“ von Bilderbuch (Maschin / Universal)

Bilderbuch – „Mea Culpa“ / „Vernissage My Heart“ (Maschin / Universal)

5,2

Für eine Weile waren Bilderbuch eine der faszinierendsten Bands dieses Planeten. Das Quartett aus Österreich hat in seiner zehnjährigen Geschichte eine Entwicklung vollzogen, die im deutschsprachigen Raum ihresgleichen sucht: 2009 veröffentlichten Bilderbuch ihr Debüt „Calypso“, ein betörend jugendlicher Hybrid aus Dance-Punk, Electroclash und Gymnasiasten-Indie-Rock im Wiener Dialekt. Zwei Jahre später folgte „Die Pest von Piemont“, auf dem sie diese Formel weiter ausgebaut haben.

Dann kam das Jahr 2015 – und mit ihm „Schick Schock“. Das dritte Album bescherte Bilderbuch den endgültigen Durchbruch, mit Besprechungen von Feuilleton bis HipHop-Spartenmagazin. Die Rhythmusgruppe aus Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl wurde synthetisiert und gegen knallende Beats aus der späteren Kanye-West-Schule ausgetauscht. Michael Krammer ergänzte das Klangbild mit muskulöser Gitarrenarbeit, während der Swagger-Pegel von Sänger Maurice Ernst, zwischen Prince-Falsett und Falco-Sprechgesang pendelnd, schwindelerregende Höhen erreichte. Die Songs waren im besten Sinne over-the-top, fast schon furchtlos in ihrem Exzess. Der Coup ging auf: Songs wie „Maschin“ oder „Plansch“ waren spannende Pop-Hits.

Mit ihrer vierten LP „Magic Life“ allerdings bekam man den Eindruck, dass Bilderbuch auf der Stelle traten. Selbst der Überhit „Bungalow“ glitzerte nur auf der Oberfläche. Der überselbstbewusste Nonsens, der auf „Schick Schock“ noch charmant klang, wirkte plötzlich etwas eindimensional. Ende 2018 wollten Bilderbuch dem entgegen wirken und kündigten an, gleich zwei Überraschungsalben veröffentlichen. Die entscheidende Frage bei diesem ultimativen Exzess-Move: Wenn sie schon im Rahmen von nur einem Album das von ihnen erwartete Euphorie-Level nicht halten können, wie sollen Bilderbuch das dann auf doppelter Länge schaffen?

Wie richtungsloser Rauch aus der E-Zigarette

Der erste Teil der geplanten Doppelveröffentlichung suggeriert: Diese Fragestellung ist gar nicht ihr Anspruch. „Mea Culpa“ wirkt ein bisschen wie eine Sammlung loser Skizzen, die eine Band sonst eher Monate später nach dem eigentlichen Album nachlegt. Und ist dennoch seltsamerweise viel interessanter als der Vorgänger „Magic Life“. Bilderbuch versuchen, Fahrstuhlgedudel cool wirken zu lassen – mit mehr Erfolg als erwartet. Im Song „Lounge 2.0“ lässt Mastermind Maurice Ernst an Migos erinnernde „Woops“ über Minimal-Funk-Grooves erklingen. Ansonsten setzt die Band auf eine Mischung aus Cloud-Rap und Vaporwave-Ästhetik, mit Synthesizern und Beats, die wie richtungsloser Rauch aus der E-Zigarette durch den Raum wabern. Das ist angenehm unaufgeregt – auch wenn die Musik auf Albumlänge gefährlich monoton plätschert.

Nach dem überraschend gemütlichen „Mea Culpa“ schlägt allerdings der Nachfolger „Vernissage My Heart“ tatsächlich eine Kerbe Richtung Exzess: Das Album ist betont laut und aufdringlich, bis zum ersten testosteronschwangeren Fuzz-Gitarren-Riff vergehen keine 30 Sekunden. Danach folgt acht Songs lang business as usual: Mit „LED Go“ gibt es eine witzige Esotherik-Funk-Hymne à la „Om“, mit „Mr. Supercool“ eine ironische Prince-Hommage, die weder dem Charme von Bilderbuch noch dem Nachlass der Funk-Ikone gerecht wird. Der letzte Song der Platte, „Europa 2.0“, eine Absage an nationale Identität, kann mit seinen sehnsüchtigen Gitarren zumindest etwas überzeugen, nimmt sich dafür aber auch über neun Minuten Zeit.

Auch clevere und gut gemeinte Marketingstunts, zu denen nicht nur die Doppelveröffentlichung gehört, sondern unter anderem auch ein EU-Pass, der diesem abschließenden Neunminüter beigespielt wurde und den unter anderem Außenminister Heiko Maas nachbastelte, können nicht darüber hinweg täuschen, dass Bilderbuch hier auf ausgetretenen Pfaden geht. Das ist doppelt enttäuschend: Erst wurde eine neue Etappe in der faszinierenden Bilderbuch-Evolution angetäuscht – nur um danach wieder gegen die altbekannte Wand zu fahren.

Veröffentlichung „Mea Culpa“: 4. Dezember 2018
Veröffentlichung „Vernissage My Heart“: 22. Februar 2019
Label: Maschin

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