Julia Shapiro – „Perfect Version“ (Hardly Art)
Was tun, wenn das, was man liebt, nicht mehr glücklich macht? Eine allgemein-gültige Antwort kann es an dieser Stelle nicht geben, aber man könnte es so machen wie Julia Shapiro: Handbremse ziehen und ab in den Reflexionsmodus. Die Gitarristin und Sängerin der US-Band Chastity Belt hat nämlich genau das gemacht. Mitten in der Tour zu „I Used To Spend So Much Time Alone“, dem dritten Album ihrer Band, schlitterte Shapiro in eine Depression und fühlte sich letztlich nicht mehr in der Lage, mit ihren Freundinnen auf die Bühne zu gehen. Der Akku war leer. Also raus aus dem Tourbus und neu sortieren.
Oder zumindest den Versuch starten. „Perfect Version“, Shapiros Solodebüt, ist eine Dokumentation dieses Prozesses. Nicht umsonst ist die Phrase „I tried“ die mit Abstand am häufigsten gesungene Textzeile. Bei Chastity Belt eher für grandiose One-Liner und herrlich nacherzählte Suff-und-Drang-Geschichten gefeiert, geht Shapiro nun ihrem Weltschmerz auf den Grund. Besonders der atmosphärisch dichte Song „Shape“ lässt erahnen, wie viel Kraft all das gekostet haben muss. Verhallte Gitarren ziehen sich wie schwere Vorhänge über eine Wall of Sound, auf die sicher auch Slowdive stolz gewesen wären. Dazu singt Shapiro: „Deep down I know / I’d rather be alone / I can’t fit into that shape.“
Ein Hoch auf den Fehlversuch
Dennoch: Die unwiderstehlichen Melodien fließen der Gitarristin nach wie vor aus den Fingern. Beim Opener „Natural“ greifen die geschrammelte Gitarre, eine im besten Sinne eingängige Lead-Melodie und ein treibende Rhythmusgruppe so ineinander, dass man sich fragen muss, ob Shapiro mit solchen Songs nicht gleich ihre Hauptband obsolet macht. Doch so eine Hybris ist der Künstlerin fern. Eher fragt sie sich in der Strophe, wie es manche Menschen schaffen, ein scheinbar natürliches Selbstbewusstsein an den Tag zu legen.
Shapiro feiert auf „Perfect Version“ den Fehlversuch, das Auf-die-Schnauze-fallen, das Stolpern, das es benötigt, um wieder auf die Beine zu kommen. Dennoch klingt die Platte nie pessimistisch. Shapiro zieht sich am eigenen, lockigen Schopf aus der Misere, und hat sich ihren Humor bewahrt: Singt sie doch auf dem Titeltrack darüber, dass sie wenigstens noch ihre Freunde hat, mit denen sie über ihre Pannen und Macken lachen kann. Ein Lachen, das die Unperfektheit des Lebens an sich normalisiert und sie nicht als Stigma zurückbleiben lässt. Ein Lachen, das vielleicht mehr ist, als ein kleiner Etappensieg auf dem Weg zur Normalität – oder eben zur perfekten Version ihrer selbst.
Veröffentlichung: 14. Juni 2019
Label: Hardly Art