Say She She – „Silver“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 2. Oktober 2023

Cover des Albums „Silver“ von Say She She, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Say She She – „Silver“ (Karma Chief Records)

Mit „Silver“ veröffentlichen Say She She endlich das großartige Album, das sie Anfang des Jahres 2022 in Aussicht gestellt haben. Damals bildete ihre Debütsingle „Forget Me Not“ den fulminanten Auftakt zu einem funky Reigen großartiger Songs, deren Ästhetik zwar irgendwie vertraut wirkte, man aber dennoch vergeblich nach Ähnlichem suchte. Das liegt vor allem an den drei Bandleaderinnen und Sängerinnen. Zwar sind Piya Malik, Sabrina Mileo Cunningham und Nya Gazelle Brown drei vollkommen unterschiedliche Sängerinnen, haben aber einen Weg gefunden, gerade aus dem Spannungsfeld ihrer verschiedenen Timbres und Stile den größtmöglichen Mehrwert herauszuholen. Hinter den dreien steht eine formidabel eingespielte, tighte Band. Zum Teil spielen die vier Musiker seit Jahren gemeinsam in der Funk-Band Orgone, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Diese Spielfreude und Versiertheit erweitern die Sängerinnen mit mal zum Schmachten schönen, mal waghalsigen Stimm-Manövern.

Während Orgone sicher durch die Geschichte des Grooves führen und so effektiv wie vergnügt den Dancefloor bedienen, fügen Malik, Cunningham und Brown nicht bloß (besonders in ihrer Kombination) ungewöhnliche Klangfarben hinzu. Denn sie benutzen das Texblatt nicht nur für Alltagsbeobachtungen und Herzensangelegenheiten, den Funk nicht nur als Vehikel von Tanz und Ekstase. Zusätzlich zu diesen durchaus legitimen Anliegen sehen sich Say She She als Plattform politischer Anliegen. Schließlich sind zwischenmenschliche Beziehungen auch politisch und die Tanzfläche sowieso. Insofern verbinden sich diese Elemente bei Say She She ganz organisch.

Politische Botschaften auf der Tanzfläche

Gleich die erste Single war alles auf einmal. Über dem schwülen Funk-Groove schmettern die klassisch ausgebildeten Cunningham und Brown den Refrain an der Grenze zum Opernhaften. Den Strophen indes haucht Malik ihre eigene Art von Soul ein, mit der sie zuvor bei El Michels Affair und 79.5 zu hören war. Doch der Song war nicht bloß ein Dancefloor-Hit mit gesanglichem Novelty-Faktor. Say She She schmuggelten auch eine feministische Hommage an die Künstler*innen-Gruppe Guerrilla Girls auf den Dancefloor. Nach dem formidablen Slow-Jam „Blow My Mind“ war „Norma“ sogar offensiv politisch. Gerade diesen Aufruf, sich gegen die Einschränkung des Abtreibungsrechts zu wehren, gestaltete das Trio besonders tanzbar. Als dann im Oktober 2022 das Debütalbum „Prism“ erschien, war jedoch keiner dieser Songs darauf. Das lag nicht an einer groben Fehleinschätzung des eigenen Materials, sondern an einer Verzögerung im Presswerk. Während „Prism“ im Limbus hing, nahm die Band diese neuen Songs auf, die alles auf der (immer noch ziemlich guten) Debüt-LP überragten.

Überbordende Kreativität

Nun ist das Album draußen, das man nach den ersten Singles eigentlich hören wollte. Nicht nur ist es mit einer Band eingespielt, die auf exakt der gleichen Wellenlänge swingt wie die Sängerinnen. Das Songwriting und die Arrangements spielen in einer anderen Sphäre als das Debüt. Das hatten „Norma“ und „Forget Me Not“ signalisiert, die sich dankenswerterweise auf der Titelliste finden (leider jedoch nicht „Blow My Mind“). Insgesamt sieben Songs hatten Say She She schon im Vorfeld ausgekoppelt. Zuletzt erschien vier Wochen vor Album-Release mit „Echo In The Chamber“ eine Single, die zum Midtempo-Boogie-Beat die Verschärfung der laxen US-Waffengesetzgebung fordert. Doch auch die acht weiteren Album-Tracks sind alles andere als Füllware. So geben „Entry Level“ und vor allem „Questions“ veritable Funk-Hits ab, während sich „Passing Time“ wie eine analoge Interpretation von All Saints ausnimmt.

Auch die seidigen, aber nie seichten Slow-Groover warten immer wieder mit Überraschungen auf. „Think About It“ lehnt sich beispielsweise gleichzeitig an The Style Council und brasilianischen Pop à la Quarteto Em Cy an. Im letzten Drittel ist mit „Bleeding Heart“ dann noch ein richtiges Juwel untergebracht. Nachdem das Intro eine Prog-Rock-Nummer antäuscht, übernimmt ein Punk-Funk-Stop-&-Go-Groove im Früh-Achtziger-New-York-Style. Den dramatischen, operettenhaften Refrain löst ein fast schon Reggae-artiger Bridge-Teil ab, bevor sich am Songende alles übereinander schichtet. Zwar mag dies ein extremes Beispiel der überbordenden Kreativität einer Ausnahmeband sein, repräsentiert „Silver“ dadurch aber umso pointierter.

Veröffentlichung: 29. September 2023
Label: Karma Chief Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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