50 Jahre „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“

Von Florian Gelling, 31. Mai 2017

Foto des Covers von Legendärer Meilenstein der Popgeschichte: Das achte Studioalbum der Fab Four wurde bereits mit allen erdenklichen Superlativen versehen

Der 1. Juni 1967 markiert den offiziellen Veröffentlichungstermin von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, dem achten Studioalbum der Beatles, auf dem sich die Band nicht nur äußerlich in einem neuen, sehr bunten Gewand präsentierte. Auch jenseits der farbenfrohen Anzüge stellte das Konzeptalbum in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt für die Liverpooler dar, weshalb von diesem Album auch 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung und ungeachtet der Tatsache, dass Beatles-Exegeten mittlerweile jede Note und Silbe interpretiert haben, eine ungebrochene Anziehungskraft ausgeht.

Musikalisch machten die Beatles eigentlich im Grunde genau dort weiter, wo sie mit „Rubber Soul“ und vor allem „Revolver“ angefangen hatten: Psychedelische, möglicherweise auch auf Drogenerfahrungen basierende Elemente, teilweise recht komplexe Songs wie „Lucy In The Sky With Diamonds“ und eine Fülle von damals noch ungehörten Audioeffekten bestimmten das Klangbild. Neu war im Gegensatz zu „Revolver“ vor allem der vergleichsweise große Aufwand, mit dem „Sgt. Pepper“ produziert wurde: Neben neuen Instrumenten wie dem Mellotron – einer Orgel, die ihre Töne aus vielen winzigen Tonbändern bezog und als frühe Form des Samplings bezeichnet werden kann – wurde bei einigen Stücken auch ein 40-köpfiges Orchester aufgenommen. George Martin entwickelte sich dabei mehr und mehr zu einer Art fünftem Bandmitglied und koordinierte die Aufnahmen. Neu war auch die Verwendung von zwei zusammengeschalteten Vier-Spur-Bandmaschinen: So standen der Band nun insgesamt sagenhafte acht(!) Spuren zur Verfügung. Was im digitalen Zeitalter eher steinzeitlich wirkt, war damals geradezu sensationell – schließlich wurde die Mehrspur-Aufnahmetechnik erst in den 50er-Jahren entwickelt. Insgesamt war „Sgt. Pepper“ demnach voll von klanglichen Experimenten, die sich letztlich sogar im Endprodukt widerspiegelten: als sich endlos wiederholendes Zwei-Sekunden-Sample in der Auslaufrille der Schallplatte.

Neben der klanglichen Pionierarbeit sollte „Sgt. Pepper“ aber auch eine grundsätzliche Änderung in der Arbeitsweise der Beatles mit sich bringen. Bereits im November 1966 – also kurz zuvor – hatten sie beschlossen, keine Konzerte mehr zu geben, da sie von Touren und permanentem Trubel die Nase voll hatten. Stattdessen zogen sie sich von Dezember 1966 bis April 1967 in die Abbey Road Studios zurück und wurden immer mehr zu einer „Studio-Band“. Um auch Auftritte in Funk und Fernsehen möglichst zu vermeiden, begannen die Beatles zudem mit der Produktion von kleinen Filmen, die als frühe Form des Musikvideos gelten können – wie etwa zu „Strawberry Fields Forever“. All dies stand in starkem Kontrast zu der enormen Live-Präsenz ihrer Frühphase.

Überhaupt schienen sich die Beatles mit „Sgt. Pepper“ deutlich von ihren Anfangstagen zu distanzieren, was sich schon allein optisch durch üppigen Bartwuchs und exzentrische Anzüge ausdrückte. Das Konzept einer Alter-Ego-Band mit fiktiven Charakteren wie „Billy Shears“ (Pseudonym von Ringo Starr) stellte zudem einen spielerischen Versuch der Abgrenzung zur bisherigen Identität dar. So konnten die Bandmitglieder ungewohnte Rollen annehmen und auf humorvolle Art und Weise Neues ausprobieren. Gleichzeitig beanspruchten die Beatles aber auch mehr Kontrolle über das eigene Schaffen und ließen erstmalig ihre Texte abdrucken. Somit war das Album trotz einer gewissen Narrenfreiheit auch ein Zeugnis von Reife und Emanzipation gegenüber dem bisherigen Image und kommerziellen Erwartungen.

Letztendlich öffnete „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ den Beatles viele neue Wege und Möglichkeiten, ohne die sie vielleicht nicht weitergemacht hätten. Ob das Album nun ihr wichtigstes oder gar bestes Werk ist? Und ob es heute noch relevant ist? Das bleibt natürlich eine Geschmacksfrage, wie immer.

Für all diejenigen, denen die musikalische Exegese zu müßig ist, bietet das Album aber auch auf vielen anderen Eben einen hohen Unterhaltungswert. Stichwort: „Paul Is Dead“ − eine der wahnwitzigsten Verschwörungstheorien der Popgeschichte, die ihren Anfang 1969 nahm, als ein Hörer beim Detroiter Lokalsender WKNR anrief, um zu verkünden, dass Paul McCartney tot sei. Er wäre bereits 1966 bei einem Autounfall ums Leben gekommen und werde seit „Sgt. Pepper“ von einem Doppelgänger vertreten, den die Beatles auf Druck ihres Managements bei einem McCartney-Lookalike-Wettbewerb casteten.

Der Verschwörungstheorie nach versuchten die drei verbliebenen Beatles seitdem mit geheimen Zeichen und Anspielungen auf den Tod Pauls aufmerksam zu machen: So wurden beispielsweise die vielen Persönlichkeiten und Blumen auf dem Cover von „Sgt. Pepper“ als Hinweise auf eine geheime Beerdigung McCartneys interpretiert. Und auch auf späteren Alben wie „Abbey Road“ fanden sich immer wieder mysteriöse „Beweise“ für das angebliche Ableben des Bassisten. John Lennon hingegen hatte mit anderen Gerüchten zu kämpfen: Wie in religiös motivierten Artikeln behauptet wurde, soll er sehr an Okkultismus interessiert gewesen sein und spätestens 1962 seine Seele dem Teufel verkauft haben – was auch den großen Erfolg der Band erklären sollte. Angefeuert wurden solche Theorien durch die Morde der Manson Family im Jahr 1969, deren Anführer Charles Manson sich unter anderem auf den Song „Helter Skelter“ berufen hatte.

Zudem fanden sich auf diversen Aufnahmen der Beatles tatsächliche oder angebliche „Rückwärtsbotschaften“, in denen besonders von konservativer Seite möglicherweise satanische Inhalte oder eben Hinweise auf den verstorbenen Paul gefunden wurden. Grund für solche Gimmicks war letztendlich der Humor und große Einfallsreichtum der Beatles sowie die innovative Aufnahmetechnik, die sie schon auf „Rubber Soul“ (1965) als zusätzliches Instrument für sich entdeckt hatten: Vorangetrieben von Paul McCartney und ihrem langjährigen Produzenten George Martin, experimentierten sie mehr und mehr mit rückwärts laufenden Tonbändern, Gitarren und Gesängen, was im Ergebnis oft zu merkwürdigen Effekten und rätselhaften Textzeilen führte. Dies lieferte auch für die folgenden Jahrzehnte reichlich Stoff für Spekulationen, da auf allen möglichen Platten nach etwaigen versteckten Botschaften gesucht wurde.

Bei allem Hätte, Wenn und Aber haben derartige Theorien, die damals natürlich noch über Radiosender, Zeitungen und Zeitschriften in Umlauf gebracht wurden und heute ihre Fortsetzung in Internetforen finden, auch einen ganz realen Aspekt: Die Albenverkäufe erreichten eine bis dato nicht gekannte Dimensionen. Auch in Sachen Marketing hat dieses Album also Maßstäbe gesetzt.

Dem 50. Geburtstag von „Sgt. Pepper“ hat sich auch Volker Rebell in seiner Sendung Kramladen gewidmet. Im ersten Teil (der bereits im ByteFM Archiv zum Abruf bereitsteht) befasst sich unser Moderator ausführlich mit der A-Seite des Albums, im zweiten Teil, der am 1. Juni um 23 Uhr läuft, folgen detaillierte Besprechungen aller Songs der B-Seite. Nach der Ausstrahlung steht auch diese Folge für Freunde von ByteFM im Archiv zum Nachhören bereit.

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