Courtney Barnett – „Tell Me How You Really Feel“ (Milk! Records)
„Tell Me How You Really Feel“, war die Aufforderung, die Courtney Barnett im Februar an ihre Fans richtete. In maximal 250 Zeichen konnte man auf der Homepage der australischen Künstlerin seinen derzeitigen Gemütszustand mitteilen. Die unzähligen Antworten lassen sich nun auf der Website nachlesen – und die Grundstimmung ist nicht gerade gut: „Krank.“ „Gelangweilt von allem und ich weiß nicht, wie das aufhören soll.“ „Verwirrt und einsam.“ „Das ist eine ganz schön aufgeladene Frage, Courtney.“ Im Zeitalter des sozialen Oversharings ist man eigentlich schon daran gewöhnt, im Internet mit Emotionen anderer Menschen konfrontiert zu sein – trotzdem hat diese Collage der unruhigen Gemüter eine sehr beeindruckende Wirkung.
Lähmender Selbsthass und städtische Doppelmoral
„Tell Me How You Really Feel“ ist auch der Titel von Courtney Barnetts zweitem Album. Es erscheint drei Jahre nach ihrem Grammy-nominierten Debüt „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ und ein Jahr nach „Lotta Sea Lice“, ihrer Gemeinschaftsplatte mit Kurt Vile. Wo sich Barnett auf letzterem noch von ihrer gemütlichen Seite zeigte, weht auf diesem Album ein anderer Wind: Lähmender Selbsthass, Liebeskummer und Hoffnungslosigkeit sind die Emotionen, die „Tell Me How You Really Feel“ antreiben – und sich damit sehr gut mit den Gemütszuständen ihrer Fanbase ergänzen.
Wie man bei all dem Schmerz trotzdem ein sehr gutes Rockalbum produzieren kann, verrät Barnett direkt im ersten Song „Hopefulessness“: „Take your broken heart and turn it into art.“ Nach einem Feedback-lastigen Intro beweist sie im nächsten Song, dass sie die Kunst des cleveren Slacker-Rock nicht verlernt hat: In „City Is Pretty“ beobachtet sie mit scharfer Zunge städtische Doppelmoral, während ihre Band im gemütlichen Pavement-Tempo durch die Gassen schlendert. Im Refrain der ersten Single „Nameless Faceless“ mischt Barnett noch eine Spur The-Breeders-Rotzigkeit dazu, passenderweise singt niemand anderes als Kim Deal persönlich den Hintergrund-Chor. Die angestaute Aggression mündet in „I‘m Not Your Mother, I‘m Not Your Bitch“ – einem der lautesten, wundervollsten Trennungssong der letzten Jahre.
„And I know all your stories but I’ll listen to them again“, heißt es dann im abschließenden Song „Sunday Roast“, bei dem plötzlich das gesamte Konzept Sinn ergibt. Klar geht es bei „Tell Me How You Really Feel“ um die Angst, den Selbsthass, die Langeweile – aber am meisten geht es darum, einander zuzuhören.
Veröffentlichung: 18. Mai 2018
Label: Milk! Records