FKA Twigs – „Magdalene“ (Young Turks)
Ein komplexes, mehrdimensionales Kunstwerk auf die ziemlich eindimensionale Ebene „Trennungsalbum“ herunterzubrechen, fühlt sich nicht immer richtig an. Speziell wenn die zertrennten Menschen prominent sind. Man denke an Fleetwood Macs gleich zwei bandinterne Trennungen porträtierendes Werk „Rumours“, oder an „Blood On The Tracks“, auf dem Bob Dylan seine außeinanderbrechende Ehe verarbeitete. Alben, die vermeintlich das Ende von prominenten Beziehungen porträtieren, aber in ihrer Summe viel mehr als nur ihre Geschichte erzählen. Songs vom Ende einer spezifischen Liebe, die jedoch mit jedem resonieren können.
Ein aktuelles Beispiel: der ehemalige „Twilight“-Teenieschwarm und als Arthouse-Chamäleon wieder auferstandene Schauspieler Robert Pattinson und die seit fünf Jahren die Grenzen der Pop-Musik auslotetende Musikerin Tahliah Debrett Barnett, besser bekannt unter dem Namen FKA Twigs. Das Paar trennte sich Ende 2017 nach einer dreijährigen Beziehung, wie zahlreiche Klatsch- und Tratschblätter berichteten.
„Eigentlich habe ich immer danach gestrebt, mein bestes ‚Ich‘ zu sein“, sagte Barnett über ihr aktuelles zweites Album. „Doch diesmal konnte ich das nicht.“ Der Herzschmerz habe sie nicht nur psychisch, sondern auch physisch so mitgenommen, dass sie alles um sich herum niederreißen musste. Das Ergebnis dieses Breakdowns erscheint nun unter dem Titel „Magdalene“. Statements wie diese verleiten dazu, das erste Album, das sie seit ihrem 2014er Durchbruch „LP1“ veröffentlicht, als eine dieser Trennungsplatten abzutun.
Phoenix-Pop
Doch Barnett braucht keine dramatische Hintergrundgeschichte, um einem das Herz aus der Brust zu reißen. Das schafft sie mit einem leichten Zittern ihrer Stimme. „Didn’t I do it for you? / Why don’t I do it for you?“, sang diese Stimme in der Vorabsingle „Cellophane“ über minimalistische Pianoakkorde. „Why won’t you do it for me? / When all I do is for you?“ Simple und doch tonnenschwere Worte.
Und „Cellophane“ war nur der erste Vorgeschmack. Barnett hat für „Magdalene“ eine wahre Riege an Starproduzenten versammelt, von Nicolas Jaar über Oneohtrix Point Never bis zu Skrillex (!), die ihre Stimme mit Instrumentals umrahmen, die im ersten Moment einlullen und im nächsten Moment verstören. „Holy Terrain“ ist experimenteller Trap, irgendwo zwischen Gucci Mane und Kate Bush. Der Opener „Thousand Eyes“ beginnt als wehmütiger Kanon, bis einem verzerrte Synthesizer das Fundament unter den Füßen wegreißen.
Doch das plötzliche Alleinsein ist nicht das Thema dieses Albums. Es geht um das Wiederaufstehen. Das Weitermachen. Das Überleben. Das Heilen. Ein Symbol für all das fand Barnett in der titelgebenden Figur der Maria Magdalena, die im Neuen Testament erst Zeugin der Wiederauferstehung Jesu Christi war, danach als Sünderin gebrandmarkt und dann als Heilige verehrt wurde. Auf „Magdalene“ finden sich neun Songs, die gefüllt sind mit Momenten, in denen Barnett alles herunterbricht – nur um wieder aus der Asche aufzusteigen. Es ist mehr als ein Trennungsalbum. Es ist ein Triumph.
Veröffentlichung: 8. November 2019
Label: Young Turks