Konzertbericht: Beady Eye

Als ich in der U-Bahn sitze und mich mit meinem Mp3-Player auf das Konzert für den heutigen Abend einstimme, betreten zwei Männer den Wagon. Ich habe sie schon ein paar Mal gesehen: Der eine hat eine Gitarre in der Hand, der andere einen Beutel für Münzen. Erster spielt heute ausgerechnet den Beatles-Song „All You Need Is Love“. Ich muss schmunzeln. Auf meinem iPod läuft der Song „Beatles And Stones“ von Beady Eye – und zu diesem ausverkauften Konzert bin ich unterwegs.

Beady Eye, für alle Unwissenden: Das sind die Überbleibsel von Oasis, jener Band, die wie kaum eine andere für das Genre Britpop steht und Großbritannien in der Mitte der Neunziger aus der musikalischen Lethargie verhalf. Oasis schaffte das mit eingängigen Songs, Texten, die eine ganze Generation berührten und einem Beatles liebenden Brüder-Paar, das sowohl für Schlagzeilen in der Boulevard-Presse gut war als auch ein unglaubliches Charisma vorweisen konnte. Die Rede ist von den Gallagher-Brüdern; Liam, der etwas dumpf-prollige Frontmann, und Noel, der mit seiner Bauern-Schläue unglaubliche Songs wie „Cigarettes And Alcohol“, „Supersonic“ oder „Champagne Supernova“ schrieb. Doch 2009 stieg der ältere Bruder Noel nach einem Streit mit Liam aus der Band aus. Der jüngere Bruder machte kurzen Prozess: „The name was shite anyway“ sagte er über Oasis, und formte mit den letzten verbliebenen Mitgliedern eine neue Band; Beady Eye. Im Frühjahr 2011 erschien ihr erstes Album „Different Gear, Still Speeding“, seitdem sind sie auf Tour.

An der Haltestelle St. Pauli steige ich aus und gehe die letzten Meter, vorbei am Hamburger Beatles-Platz. Vereinzelte Grüppchen von jungen Leuten sitzen dort, trinken Bier, recht viele haben T-Shirts von Oasis an.
Knapp 160 Meter weiter mache ich halt vor der Großen Freiheit 36. Auch hier sind viele Leute in Oasis-Shirts. Manche haben Klamotten von Liams Mode-Label „Pretty Green“ an, vereinzelte machen sich sogar die Mühe und schwitzen bei 28°C in dicken Parkas. Sowas muss man als leidenschaftlicher Britpop-Fan wohl machen.

Ich bin hier mit einem Kumpel verabredet, der genau wie ich ein bekennender Oasis-Fan ist. Endlich kommt er vorbei; dem guten Wetter ist es verschuldet, dass wir von dem Vor-Act nichts mitbekommen. Wir machen es wie viele andere auch und trinken noch schnell ein Bier, diskutieren ein mögliches Datum für eine Oasis-Reunion (wir tippen auf 2014) und sind gespannt darauf, wie es gleich werden wird, ohne Noel und ohne Oasis-Songs.

In der Großen Freiheit ist es voll, der Durchschnittsbesucher ist Anfang/Mitte 30, männlich und hat ein bis zwei Getränke in der Hand. Zur Einstimmung laufen Songs von den Stones, Iggy Pop und den Stone Roses – dessen Frontmann Ian Brown soll einst Anregung für den jungen Liam gewesen sein, nicht mehr Rasenmäher zu klauen, sondern sich doch mal als Rockstar zu probieren.
Noch herrscht auf der Bühne ein reges Treiben; stolze sieben Roadies prüfen Kabel und stimmen hektisch Instrumente. Da merkt man schon, dass die Musiker ,die gleich spielen werden, jahrelange Stadion-Rock-Erfahrung haben – da muss eben alles stimmen, auch wenn der Auftritt in einem relativ kleinen Club stattfinden wird.

Um 21:25 Uhr ist es dann soweit: Die Band, die besser sein soll als alles andere was je da war, kommt auf die Bühne. Das Publikum jubelt; Liam Gallagher trägt einen lila Parka, noch bevor er überhaupt einen Ton gesungen hat, gibt er direkt Anweisungen an die Roadies, „sein Sound stimmt nicht“.
Der erste Song des Sets ist „Four Letter Word“: Während die Fans ihrem Zampano zujubeln und sich fragen, was dieses Wort mit vier Buchstaben ist (Love? Beer? Noel?), glänzt die Band mit einem ohrenbetäubenden Sound. Okay, bis auf ihren Frontmann, da stimmt tatsächlich was mit den Monitorboxen nicht. Auch bei „Beatles And Stones“ hat er (beziehungsweise seine Roadies) das Problem noch nicht im Griff. Beim dritten Song „Millionaire“ klappt’s dann aber besser: Das typische, vertraute Raunen à la John Lennon ist da, die Fans trinken beruhigt ihr Bier weiter.

Während des Konzerts wagt es niemand auch nur im Entferntesten „Oasis“ zu rufen. Natürlich, Sprechchöre die „Liam, Liam“ propagieren, die gibt es. Es wird auch brav applaudiert und gejubelt. Die Band selbst spielt fehlerfrei ihr Set herunter, Kommunikation mit den Zuschauern gibt es kaum. Gelegentlich nuschelt der Frontmann zwischen den Songs etwas in sein Mikrophon, leider alles unverständlich. Aber so was ist man tatsächlich von Liam gewöhnt. Ansonsten benimmt sich Monsignore Gallagher gut, es gibt keine Krawalle oder Schlägereien. Wie gewohnt steht er beinahe regungslos vor dem Mikrophon, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, dabei ignorierend, dass er seinen Parka mittlerweile komplett durchgeschwitzt hat. Die letzten Songs des Abends sind die stärksten: „The Morning Son“, „Wigwam“, „Sons Of The Stage“.

Nach 65 Minuten ist das Konzert vorbei. Beady Eye gehen von der Bühne, die Leute strömen aus der Großen Freiheit. Mein Kumpel und ich, wir tun es den anderen gleich. Eine Zeit lang schweigen wir uns an, dann brechen wir das Schweigen. Wir beide, Musikliebhaber, -kritiker und eben auch leidenschaftliche Oasis-Fans, unterhalten uns, erklären uns gegenseitig, wie wir es fanden, dieses Konzert. Unser Fazit: Tolle Band – aber keine Hymnen. Bei Beady Eye haben sich wirklich großartige Musiker und einer der besten Frontmänner der Welt versammelt; nur leider fehlt dieser Band der Dichter, das Herz.

Sollten Beady Eye nach dieser Tour tatsächlich weitermachen, wer weiß, vielleicht schaffen sie es ja irgendwann doch noch Hymnen zu schreiben. Allerdings werden die Vergleiche mit Oasis immer da sein. Das die Fans kommen werden ist klar, eben weil diese Band der Rest von Oasis ist; finanziell wäre die Zukunft auf jeden Fall gesichert.

Dennoch: Wir sind uns einig, der Liam, der ist schon der Größte. Hach. Vielleicht wird das ja doch noch mal was mit der Oasis-Reunion. Abende wie heute machen definitiv Appetit darauf.

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