Wer? Was? Warum? ByteFM Redakteure besprechen eine Auswahl aktueller Neuerscheinungen.
Wer? 206 sind Sänger und Songschreiber Timm Völker, Bassist Leif Ziemann und Schlagzeuger Florian Funke aus Leipzig. Vom Ziehvater des deutschen Punk und NDW-Begriffspräger Alfred Hilsberg auf sein ZickZack / What’s so funny about?-Label geholt, auf dem bereits Bands wie Abwärts oder Palais Schaumburg groß wurden, und vom Hausproduzenten der Hamburger Schule Tobias Levin aufgenommen, ist das Trio 206 kein ganz unbeschriebenes Blatt auf den Brettern der hiesigen Indie-Punk-Szene mehr. Schon seit ca. zwei Jahren bringen sie ihre Version deutschsprachigen Punks auf die Bühnen und als Support für Bands wie Turbostaat oder The (International) Noise Conspiracy vor unterschiedlichstes Publikum.
Was? Mit “Republik der Heiserkeit“ erscheint jetzt ihr Debütalbum, und die darauf enthaltenen 14 Songs schneiden sich mit Text und Klang messerscharf durch Gehör und Kopf. Der reduzierte, schroffe Sound, oft vom treibenden Bass und Schlagzeug getragen und mit sägenden Gitarrenfeedbacks unterlegt, unterstreicht die lyrischen Texte Timm Völkers in Songs wie “Hallo Hölle“ oder “Goldjunge“ und macht unmissverständlich klar: 206 wollen sich und uns nichts schönreden. Vom Leben als “Dauerwerbesendung“, der medialen Lächerlichkeit, die doch nicht ablenken kann vom alltäglichen Konkurrenzkampf um Jugend, Bedeutung oder Karriereplanung und von der Unversöhnlichkeit mit den rückwärtsgewandten Generationen erzählen Songs wie “Keine Sonne Keine Cola“ und “Kratzer To The Top“ in bester Punkmanier. Dabei wirken das Schreien, die verzerrte Gitarre oder der düster-wabernde Bass nicht als Mittel zum Zweck, sondern in ihrer Dringlichkeit unumgänglich. Man kann den Geist solch unterschiedlicher, unkonventioneller Punk- oder Wave-Bands wie Wipers oder Bauhaus herbeizitieren und mitschwingen hören, muss die drei Musiker von 206 jedoch nicht mit Vergleichen überhäufen, um ihren klaren, kompakten Sound als deutliche Ansage an ein hier und jetzt zu verstehen, in dem Punkmusik sich selbst definieren muss.
Warum? Der Albumtitel “Republik der Heiserkeit“ gibt schon die Stoßrichtung der Band 206 vor: Hier geht es musikalisch und inhaltlich schnörkellos und ehrlich zu. Selbstmitleid, den Rückzug ins Emotionale oder den erhobenen Zeigefinger, der nur kritisiert um im besseren Licht zu stehen, sucht man im Punk oder Neu-Wave, wie das Trio ihre Musik gerne selbst unterschreibt, von 206 vergeblich. Dafür werden sich mit diesem Album viele, die im vergangenen Jahrzehnt und bis auf weiteres ihre Probleme mit dem Erwachsenwerden oder -sein hatten gleichermaßen verstanden und (angenehm) vor den Kopf gestoßen vorkommen. Etwas, dass man von einer deutschsprachigen Punkplatte viel öfter erwarten sollte.