Wer? Was? Warum? ByteFM Redakteure besprechen eine Auswahl aktueller Neuerscheinungen.
Wer? Planningtorock ist das Pseudonym der aus dem britischen Bolton stammenden Wahlberlinerin Janine Rostron, die auch das Label Rostron Records betreibt. In ihren Kindheitsjahren hat Rostron Geige gelernt und begann früh, eigene Musik zu produzieren, wobei sie sich auf elektronisch geprägte Musik besann. Die Geige ist allerdings ein Instrument, das man auf „W“, Planningtorocks auf DFA erscheinendem, zweitem Album, sehr häufig hört.
Was? Das „W“ ist genau der Buchstabe, mit dem die entscheidenden Fragen, die beim Hören dieses Werkes aufkommen, beginnen: „Was ist das eigentlich, was man hier hört?“, „Wer ist das eigentlich, den man hier hört?“ Nun, wen wir hier hören, das wissen wir ja glücklicherweise – Janine Rostron. Läge diese Information allerdings nicht vor, bliebe oft unklar, um was für ein Wesen es sich handelt. Denn die Stimme, die zu vernehmen ist, ist oft seltsam entrückt und unnahbar. Sie kommt aus dem Hintergrund, ist mit viel Hall unterlegt, es ist weitestgehend einfach nicht möglich, sie zu greifen. Manchmal klingt sie nach einer Frau, an anderer Stelle wieder nach einem Mann. Nicht selten hat man beim Hören das Gefühl, jetzt müsste eigentlich jeden Moment Antony Hegarty anfangen, im Duett mit Rostron zu singen. Vielleicht rührt das aber auch einfach von der Androgynität von Janines Stimme her, ein Merkmal, durch das sich ja auch die Stimme Antonys auszeichnet. Zu der Art und Weise, wie Janines Stimme auf „W“ eingesetzt wird, passt auch ihr Auftreten. Sie inszenierte sich zuletzt als androgynes Wesen, das nicht eindeutig identifizierbar ist. Neben der Stimme hört sich auch sonst vieles entfernt, kühl, unnahbar und industriell an. Die bereits erwähnten Streichinstrumente und auch ein Saxofon werden häufig eingesetzt, doch auch diesen Instrumenten fehlt die Wärme, die ansonsten meist von gerade ihnen ausgestrahlt wird.
Warum? Die angesprochene Unnahbarkeit, die sich über weite Teile des Albums erstreckt, wirkt zuweilen etwas anstrengend, ist aber jedes Mal geschickt eingesetzt, denn bevor die Musik in ungreifbare Sphären abdriftet, erfolgt immer die Rückkehr zur Basis, wo das erneute Einsteigen möglich ist. So bleibt „W“ nur ein vermeintlich unnahbares Album, das sich andererseits durch seine große Vielfalt auszeichnet. Gespenstische, bedrohliche, schleichende Atmosphären wechseln sich ab mit Tanznummern wie „Living It Out“, die auf einmal klar machen, warum Planningtorock so gut zu DFA passt, oder Stellen, an denen die Streicher plötzlich doch eine romantische Anmutung ausstrahlen. An zahlreichen Stellen vermittelt „W“ den Eindruck, als sei es die perfekte Vertonung von Arnold Böcklins Bild „Die Toteninsel“. Denn das Bild hinterlässt bei seiner Betrachtung genau die Wirkung, die auch von Planningtorocks Musik ausgeht: Bedrohlichkeit und Unnahbarkeit zum einen, eine positive Ausstrahlung und hoffnungsvolle Seite zum anderen. Im letzten Stück des Albums singt Rostron: „You’re my number nine“. Für uns bleibt die Erkenntnis, dass der neunte Platz eine etwas zu schlechte Platzierung wäre für dieses interessante Album.