Sleaford Mods – „Spare Ribs“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Spare Ribs“ von Sleaford Mods, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Sleaford Mods – „Spare Ribs“ (Rough Trade)

„I‘m not good with elocution“, sprechsingt Jason Williamson. Er ist nicht gut in Rhetorik, sagt er da, auf dem elften Album seines Duos Sleaford Mods. Eine Band, deren eindrucksvoller Erfolg zu mindestens 50 Prozent an seinen mit messerscharfen Takedowns gespickten Texten liegt. Dieser Mensch hat die Dreistigkeit zu behaupten, dass er nicht so gut mit Wörtern ist. Dabei hat der Brite nur wenige Zeilen vorher bereits elegant goldzüngige Krisenprofiteur*innen zerstört. Wozu also die falsche Bescheidenheit?

Zurück zum Anfang: 2007 begann Williamson unter dem Namen Sleaford Mods Tracks zu produzieren. Seit 2012 ist DJ und Produzent Andrew Fearn sein partner in crime. Es folgten zahlreiche LPs, gefüllt mit einer wunderbar kratzigen Mischung aus Post-Punk und Grime. Die musikalische Formel wird nicht groß verändert – Williamsons mit allerlei Schimpfwörtern aufgeladene Working-Class-Wut, kombiniert mit Fearns stoischen Loops. Eine unheilige Mischung aus The Fall und Wu-Tang Clan. Dieses Gemisch funktioniert. Die Konzerthallen sind ausverkauft. Die LPs werden von Geheimtipps zu Klassikern. Jedes neue Release von Sleaford Mods wird sehnsüchtig erwartet. Ihre Fans zählen auf sie, als bissige Kommentatoren eines im Chaos versinkenden Großbritanniens. Ihr 2017er Album „English Tapas“ sollte in die musikalischen Geschichtsbücher als Standardwerk über das Brexit-Referendum eingehen.

Working-Class-Wut gegen Goldzungen-Rhetorik

„Spare Ribs“ ist demnach ihr Kommentar zum Corona-Jahr 2020. Und noch so viel mehr. Williamson holt weit aus: Alleine der Albumtitel ist ein giftiges Wortspiel, das nicht als das wörtliche Fleischgericht zu verstehen ist. Stattdessen bezeichnet er die „Ersatz-Rippen“, die die britische Arbeiter*innenklasse für den Kapitalismus darstellt. In dem der Mensch zum schieren Ersatzteil verkommt. „You really don’t know what they’ve probably got / They’ve got your arms if you resist the trot“, rappt Williamson, diese These unterstützend, in „Shortcummings“.

Fearns Beats sind noch ein bisschen schmutziger als sonst, vom hysterisch über sich selbst stolperndem Intro „The New Brick“ bis zum in der tiefsten Gosse groovenden „Out There“. In diesem zieht Williamson eine direkte Verbindung von der Quarantäne-Angst zum Brexit: „Watch ‚em get depressed under the lockdown stress / Little slap headed cunt, get Brexit punched / Let’s get Brexit fucked by an horse’s penis until its misery splits / Ugly rich white men get shagged by it.“ Die Worte sind drastisch bis extrem, doch die Aussage sitzt.

Die Art von Rhetorik, die Williamson im Song „Elocution“ beschreibt, ist schließlich eine, in der er gar nicht gut sein möchte. Er meint die Kunst, hinter freundlichen Wörtern egoistische Absichten zu verstecken. „‘Hello there, I’m here today to talk about the importance of independent venues‘“, proklamiert sein Charakter zu Beginn des Songs. „‘I’m also secretly hoping that by agreeing to talk about the importance of independent venues / I will then be in a position to move away from playing independent venues‘.“ Doppelmoral ist ein Gift. Gut, dass es Sleaford Mods gibt, um es immer mal wieder ein bisschen abzusaugen.

Veröffentlichung: 15. Januar 2021
Label: Rough Trade

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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