Thundercat im Konzert: Nu Jazz und Videospiele

Foto von Thundercat

Stephen Bruner alias Thundercat, der am 13. Dezember in Berlin im Huxleys zu sehen war

Es herrscht vorweihnachtliche Betriebsamkeit in Nord-Neukölln. Doch nur einen Security-Check und eine Treppe später befinden wir uns in einem Luftschiff ins Nirgendwo. Eine Orgel in dem riesigen Ballsaal des Huxleys mit seinem Holzparkett, goldenen Ornamenten, gelben Röhren und wallenden Vorhängen setzt ein. Es ist halb neun, als sich ein schmächtiger Student mit grauem T-Shirt und Brille an die Regler seiner Kommandozentrale macht.

Der Supportact Dorian Concept spielt ein Live-DJ-Set mit Tracks aus seinem aktuellen Album „The Nature Of Imitation“, das im August 2018 beim Label Brainfeeder erschienen ist. Eingeläutet durch Stroboskope (ein Warnschild für EpileptikerInnen ist am Eingang platziert) und Nebelschwaden setzt es Fiepen und Synthies, folgen melodische Sequenzen auf harte Brüche. Mit geschickten Überblendungen verlaufen sie sich zu einem Amalgam aus verzerrtem 70er-Jahre-Funk, vertrackt-verspielter Elektronik mit sichtlicher Begeisterung für Videospiele der 90er- und dem entfremdeten Spiel der 10er-Jahre. Mittlerweile werden die Beats vom Österreicher noch punktgenauer ertastet und markanter auf den Schaltflächen geschlagen. Da wird bereits ein eine stattliche Bassgitarre hinter ihm über die Bühne getragen – sie gehört Stephen Bruner alias Thundercat.

„What’s Going On?“, fragt eine Stimme mit Marvin Gaye ins Luftschiff hinein und lacht dabei, wie auch bei allen zukünftigen Liebesbekundungen aus dem Publikum, die Bruner allesamt beantwortet. „Rabbot Ho“, der erste Song aus Thundercats neuestem Album „Drunk“, prescht in doppelter Geschwindigkeit voran. Bei den krachenden Drums und dem in die Fläche ausgelegten Sounds der zwei Keyboards geht der Gesang des Mannes in der orangefarbenen Trainingsjacke anfangs noch ein wenig unter. Eine Nu-Jazz-Improvisation an seinem Sechs-Saiter-Bass später ist Bruner aber voll da.

Space Odyssee am He-Man-Platz

Schon wird es mit dem heimlichen 80er-Hit „Bus In These Streets“ glitzernd und poppig. Doch dann nimmt Thundercat über ein analytisch wie impulsives Mini-Solo die Loopstation mit und groovt sich in die Effekte hinein. Ganz zum Tragen kommt das breite Griffbrett des Basses beim ersten Highlight des Konzerts, dem rhythmisch vertrackten „Tron Song“, der sich mit dem Keyboard um eine Tonfolge aufbaut, über die Bruner in seinem markanten Falsett die Koloraturen setzt. Ihm gefällt, was er sieht: junge Leute mit andächtigen, mitfiebernden Gesichtern, die nach jedem Solo vor Begeisterung in die Hände klatschen und entlang der Funk-Riffs schreien.

Ähnlich wie seine Kollaborateure und Labelpartner bei Brainfeeder aus L.A., Kamasi Washington und Flying Lotus, schafft es Thundercat, nicht nur Musikstile gekonnt zu verschmelzen, sondern auch Fans unterschiedlicher Lager zu begeistern. Das liegt zum einen an den cleveren Arrangements; zum anderen funktioniert das Bandgefüge: Bass, Keyboard und Drums haben allesamt Mikrofone vor sich, verstärken sich mal gegenseitig, fungieren an anderer Stelle als Background-Vocals für den jeweils anderen. So wie beim großartig verlangsamten „Heartbreaks + Setbacks“. Für manche ist das Gospel, für andere Punk!

Dazu übertragen sich die Querverweise („R.I.P. Mac Miller“) und der obskure Humor aus den Songs mit Referenzen an seine Anime-Helden – „Dragonball“ („Tokyo“), eben die „Thundercats“, die in den 80er-Jahren ästhetisch zwischen H.R. Giger und He-Man schwankenden cyberfuturistisch kämpfenden Wildkatzen – oder aber ein Jingle-Sound, der aus einer Matchbox-Werbung stammen könnte, nur zu gut auf die Bühne. Ein paar wenige Ansagen und sich wiederholende Songstrukturen, die in laute, doch intime, tranceartige Kammersituationen aus Solo, Flächen und eklektischem Krachen münden, wären jedoch verzichtbar gewesen.

Ein Schrei – und dann reißen uns fiepende Melodien aus unseren Videospiel-Träumen. Beim vorletzten Song gehen die mitwippenden Musik-Nerds wieder voll mit und wissen, wann ihnen der Gesang überlassen wird. Als Dankeschön gibt es das tolle soulige „Show You The Way“, das Thundercat auf „Drunk“ mit seinen Idolen Michael McDonald und Kenny Loggins singt, bevor er den Song am Schluss wieder intergalaktisch entgrenzt. Nach 80 Minuten sind wir wieder zurück bei Level 1, doch mit einem Leben mehr.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Sarah Höfle
    Feb 23, 2019 Reply

    Mein erstes Gewinnspiel, an dem ich teilnehme, weils sich auch echt lohnt 😉 Köln ist mein place

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