Ekkstacy – „Ekkstacy“ (Ekkstacy / UnitedMasters)
6,8
Quo vadis, Ekkstacy? Das Debüt „Negative“ von 2021 war ein nicht zuletzt der Pandemie geschuldetes 17-Minuten-Meisterwerk der eher beiläufig vorgetragenen Lebensunlust. Ein Jahr später versuchte „Misery“, den Vorgänger mit noch drastischeren Texten an Intensität derart zu überbieten, dass man Angst bekommen musste um den damals 20-jährigen „Sad Boi“ aus Vancouver. Glücklicherweise ließ der seinen Worten aber wenig Taten folgen: „Killing myself to make a scene“? Er ist jedenfalls immer noch hier.
Und jetzt? Das selbstbetitelte dritte Album von Khyree Zienty oder Stacy alias Ekkstacy ist „eine autobiografische Reflexion über das Leben als Musiker und die Höhen und Tiefen der Einsamkeit, die Tourneen und das Schaffen von Kunst mit sich bringen“. Inhaltlich reflexiv, in der musikalischen Handhabung nostalgisch: Ekkstacy hat seine Plattensammlung durchgesehen und wieder einmal Musik gefunden, für die er eigentlich zu jung ist: Rund um das Jahr 2010 hatten sich Teile der US-Indie-Rock-Szene einen Surf-Twang zugelegt. Dankenswerterweise nennt Ekkstacy seine Referenzen selbst: „Wavves, Surfer Blood, Beach House, Girls, MGMT und Japandroids.“
Gratwanderung zwischen Selbstzerstörung und Eintönigkeit
Das ist gut nachzuhören auf „Ekkstacy “ und das sind allesamt Bands, die mit ihren Sound-Trademarks auch einen positiveren Vibe transportieren könnten, aber wenn Ekkstacy die entwendeten Signaturen in die für ihn typischen „Sad Punk Songs“ eingebaut hat, heißt es sofort wieder: „Bonjour Tristesse“ statt „Celebration Rock“. Und er macht‘s weiterhin allein. Auch wenn er bei Auftritten mittlerweile auf eine Live-Band zurückgreift, nachfolgt „Ekkstacy“ weiterhin dem Habitus und dem Produktionsdesign von Soundcloud-Rappern wie Lil Peep und XXXTentacion. Das bedeutet auch: Die Faszination des Albums soll gerade in der fortwährenden Gratwanderung zwischen Selbstzerstörung und Eintönigkeit begründet liegen, besonders, wenn die lyrischen Ungeheuerlichkeiten auf „Misery“ („When I die, I hope there’s a pistol in my mouth I just wanna die, I just wanna kill myself“) neuerdings durch fatalistische Indifferenz ersetzt wurden.
Ekkstacy dreht sich gedanklich ausschließlich um sich selbst. Und versteckt sich doch. In den Geisterwelten von Shoegaze, Goth und Bedroom-Pop. Und hinter dem dicken Hall auf seiner Stimme. In seinen Borderline-Texten, die eine konsequente Haltung verweigern: „If you go I’m gonna kill myself. Just kidding, I don’t care. But you’re the love of my life.“
Alles nur Pose?
Alles Pose oder Ausdruck einer langsam reifenden Persönlichkeit? „Luv Of My Life“ ist eine für das Album typisch ambivalente Hymne, in der sich Stimmungen gegenseitig konterkarieren. Auf „Alright“ gibt es einen kurzen, aber treffsicheren Rap-Part von Gast The Kid Laroi, der mehr Körperspannung besitzt als der ganze Rest des Songs, während ein von Selbstzweifeln geplagter Stacy einen dieser flüchtigen Einblicke hinter die Fassade der Persona „Ekkstacy“ gewährt und zeigt, dass seine kraftlose Selbstinszenierung nicht nur aus Depression und Todessehnsucht resultiert: „Am I doing this wrong? Or am I just dumb?“ Ein zugebenermaßen mitunter banal anmutender Reifeprozess – das gilt auch für das akustische, aber hallbeschwerte „Problems“ mit Trippie Redd. Immerhin darf man konstatieren: Die Catchyness (nicht nur dieser Songs) ist riesengroß.
In der zweiten Hälfte verabschiedet sich „Ekkstacy“ endgültig vom bewährten Lo-Fi-Ansatz. „Get Me Out“ ist die Antwort auf die nie gestellte Frage, wie sich eine massig produzierte Version von My Bloody Valentine anhören könnte, später zieht es „The Headless Horseman Lost His Way“ mit dem hochgestimmten Kratz-Gesang eines Chino Moreno gar Richtung Deftones. „Ekkstacy“ spielt meisterlich auf der Klaviatur der deprimierten Gitarrenmusik und liefert den Geschichtsunterricht für eine Generation, die davon vielleicht gar nichts wissen will. Who knows? Auch Ekkstacy ist aufmerksamer, als er tut. He really cares.
Veröffentlichung: 19. Januar 2024
Label: Ekkstacy / UnitedMasters