Goat Girl – „On All Fours“ (Rezension)

Bild des Albumcovers von „On All Fours“ von Goat Girl

Goat Girl – „On All Fours“ (Rough Trade Records)

8,3

Goat Girl“, das 2018 erschienene, selbstbetitelte Debüt der britischen Band, war das platonische Ideal eines vielversprechenden Debütalbums. Eine lose, sich mitunter fast schon assoziativ anfühlende Sammlung von wunderbar windschiefen Rock-Songs. Bis zum Rand vollgestopft mit Ideen. Ihr kantiger, roher Sound erinnerte an die frühe Zeit des Indie-Rock, als er noch College-Rock hieß. An das genauso lakonische wie clevere Geschrammel von Pavement. An den unvorhersehbaren Chaos-Rock von Pixies. Nicht alle der vielen Ideen zündeten, aber die schiere Menge an Potential überwältigte.

Wenn „Goat Girl“ ihr „Surfer Rosa“ war, dann ist „On All Fours“ das „Doolittle“ der Band aus London: Ein zweites Album, auf dem alle aufregenden Qualitäten des Debüts perfektioniert wurden. Auf dem aus vielversprechenden Skizzen fantastische Songs werden. Auch die 13 Songs von „On All Fours“ sind vollgestopft mit Ideen, mit unerwarteten Wendungen und kreativen Genre-Mixen. Doch keine von ihnen wird verschwendet. Goat Girl machen keine halben Sachen mehr.

Gefährlicher, tanzbarer, besser

Vom ersten Song an stellen die vier Musiker*innen (Rosy Jones am Schlagzeug identifiziert sich als nonbinär) klar, dass hier nichts ist, wie es scheint und nichts bleibt, was es war. Der Opener „Pest“ eröffnet mit Gitarre und Harmonie-Gesang auf bekanntem Terrain – doch nach ein paar Minuten Geschunkel entführen blubbernde Arpeggios den Song in Richtung Synth-Rock. Die Songs von „On All Fours“ sind deutlich tanzbarer als die des Debüts. Das heißt aber nicht, dass sie zugänglicher, belangloser sind. „Badibaba“ startet in der Indie-Disco und endet mit einstürzenden Gitarren-Wänden. Der liebliche Pop-Song „Closing In“ mündet in einen hektisch stolpernden Refrain. „The Crack“ ist ein Ausflug auf den schmierigsten Dancefloor, auf dem lamentierende Trompeten um einen tighten Dance-Punk-Groove kreisen.

Auch die leichtfüßigeren Songs werden mit schweren Themen kontrastiert: In „Anxiety Feels“ macht die Band Depression fühlbar, nicht mit erdrückender Schwermut, sondern mit Taubheit. „I don’t wanna be on those pills / Heard they make you numb“, singt Ellie Rose Davies. Der Song ist catchy, versehen mit „Na-Na-Na“-Refrain, doch scheint er von einem nebligen Filter umgeben zu sein. Es ist das alte Wechselspiel aus der Pixies-Schule, zwischen „leise“ und „laut“, zwischen „fröhlich“ und „traurig“. Nur wenige beherrschen das heutzutage so gut wie Goat Girl.

Veröffentlichung: 29. Januar 2021
Label: Rough Trade Records

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