Jane Weaver – „Love In Constant Spectacle“ (Rezension)

Von Jan Boller, 8. April 2024

Cover des Albums „Love In Constant Spectacle“ von jane Weaver

Jane Weaver – „Love In Constant Spectacle“ (Fire Records)

7,7

Jane Weaver macht schon über mehrere Dekaden großartige Musik und ist doch vor allem außerhalb ihrer britischen Heimat bis heute ziemlich unbekannt geblieben. Das ist vermutlich dem konsequent explorativen Charakter von Weavers Musik geschuldet. Und es hat mit der Nischigkeit ihrer präferierten Einflüsse zu tun: Radikale künstlerische Freiheit verkauft sich meistens schlecht. Jedenfalls hat sich Jane Weaver über die Jahre eine eigenwillige Klangwelt erarbeitet, die sich anfangs aus eher randständigen Folk- und Ambientformen ihrer der britischen Musikgeschichte speiste und ab „The Silver Globe“ (2014) mit Kraut- und Spacerock angereichert wurde. Mit „Modern Kosmology“ von 2017 hat Weaver den Dancefloor betreten. Den der Nachfolger „Flock“ zum feierlichen Freiluftgottesdienst ausgebaut hat.

Das neue Album „Love In Constant Spectacle“ verhält sich dazu wie ein intensiver Engtanz mit sich selbst. Die erneute Überführung retro-hippiesker Sounds endet dieses Mal in einem zeitgenössischen Psychedelic-Pop-Album von ostentativ betulicher Natur. Schon der Opener „Perfect Storm“ ist nicht stürmisch, sondern sanft: harmoniesüchtiger Groove allenthalben. Für die Abwesenheit von Aggressivität war Weaver seit jeher bekannt, jetzt kommt noch eine erhabene Opazität hinzu: Man ahnt, dass diese unbestimmte Intimität ihre Gründe hat. „Love In Constant Spectacle“ ist entstanden, während Weaver die langwierige Krankheit ihres Vaters begleitet hat. Aus Gründen des Selbstschutzes ließ sie ihre lyrischen Nahaufnahmen allerdings per Google Translator verfälschen und verfremden.

Stimmungsvolle Uneindeutigkeit

Jane Weaver hält dem konstanten Informationsgeballer unserer Zeit ein Sammelsurium von sonderbaren Einflüssen entgegen, die gewöhnlich nur mit spitzen Fingern angefasst werden. Sie findet Trost im Transzendenz-Versprechen von Krautmusik und in der Naturmystik von typisch britischem Folk. Die verwaschenen Vintage-Keys dagegen könnten von Robert Wyatt oder aus der proggigen Canterbury Schule stammen – von Weaver allerdings nur als Soundnuancen verwendet und sicher nicht aus Gründen der Zurschaustellung elaborierter Skills. Ganz im Gegensatz zu früheren Alben hat Weaver die neuen Songs bewusst kleinteilig gebaut. Trotz Klarheit in Struktur und Form gelingt ihr eine stimmungsvolle Uneindeutigkeit, die sich zeitweise den surrealen Traumfänger*innen von Stereolab annähert („Happiness In Proximity“). Auch der traditionelle Folksong „Motif“ ist gleichzeitig offen und entrückt und erinnert in seiner Einfachheit an die verlorengegangene und erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckte Sibylle Baier.

Im Video zu „Romantic Worlds“ wird augenzwinkernd mit den Vorstellungen einer fantasyschwangeren Vergangenheit geflirtet: Wenn Jane Weaver nach einer Fahrt mit einem Tretbootschwan auf einer Insel im Stadtpark(!) landet, erfährt sie eine Transformation, die sie und ihren Begleiter aussehen lässt wie Mitglieder der Mittelalter-Rock-Band Saltatio Mortis. Weaver und ihr Begleiter werden von wikingerähnlichen Unholden verfolgt und retten sich lieber zurück in die Zivilisation: „I Love You, Let’s Go Home.“ Ende eines Flirts, bevor die Vergangenheitsgefühle mit zu viel Romantik überzogen werden.

Jane Weaver weiß um die Falschheit von nostalgischem Kitsch. Stattdessen: Verlorenheit und Isolation („The Axis And The Seed“). Mehr als einmal muss man sich die verlassene Weite des Weltalls vorstellen. „Univers“ zerbirst fast vor Sehnsucht: „Don’t Blame Me, It’s The Universe That’s Wrong.“ Beim Schlusstrack „Family Of The Sun“ klingt Weaver mehr denn je nach Nico. Die Verlassenheit des Songs wird in letzter Minute noch aufgehoben von einer Fußnote klassischer Krautrock-Motorik. Das ist Fernweh nach Orten, die außerhalb von Raum und Zeit liegen. Eines ist sicher: Das Hier und Jetzt ist es nicht.

Veröffentlichung: 5. April 2024
Label: Fire Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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