Machinedrum – „A View Of U“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „A View Of U“ von Machinedrum, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Machinedrum – „A View Of U“ (Ninja Tune)

Travis Stewart meditiert. Sehr gerne und sehr viel. Besonders die „Out-Of-Body-Experience“ hat es dem Produzenten aus North Carolina angetan. „Das Gefühl, außerhalb des Körpers zu sein, fühlt sich unendlich an“, sagt der Drum-‘n‘-Bass-Künstler, der seit zwanzig Jahren als Machinedrum Musik veröffentlicht. „Am Anfang fühlt es sich beängstigend an, aber sobald man diese Angst loslässt und sich der Erfahrung hingibt, fühlt es sich unglaublich schön an und das Leben verändert sich.“

Diesen esoterischen Touch merkt man seiner Musik beim ersten Hören nicht an. Auf seiner nun erscheinenden elften LP „A View Of U“ vergehen keine zwanzig Sekunden, bis das erste Bassdrum-Gewitter das Trommelfell erschüttert. Der Opener „The Relic“ erinnert mehr an verballerte Keller-Raves als ans Yoga-Studio. Die Hi-Hats knallen einem nur so um die Ohren, der Rest der Beats peitscht gnadenlos die Füße an. Die Luft riecht nach Schweiß, nicht nach Räucherkerzen.

In alle Richtungen gleichzeitig

Doch die Nase trügt. Stewart nur einen Drum-‘n‘-Bass-Künstler zu nennen, ist natürlich nach über 20 Jahren Machinedrum eine Untertreibung. Wie es sich für einen Meditationsprofi gehört, versteht er es, den Blickwinkel zu wechseln: Er nimmt Bass- und Rave-Musik als Grundlage, um alle möglichen anderen Genres zu erkunden. Der psychedelische HipHop von Madlib oder Flying Lotus pulsiert genau wie die hirnverknotende IDM von Aphex Twin oder Squarepusher durch seine Venen. In „The Relic“ öffnet sich nach dem ersten Geballer plötzlich der Himmel, lässt Streicher und Harmonien durchscheinen. Ein Machinedrum-Track kann so ziemlich alles sein.

So hat Stewart mit „A View Of U“ ein außerordentlich abwechslungsreiches Klanguniversum (das „U“ steht übrigens für „Universe“!) erschaffen. Und das nicht nur alleine: In „Star“ lässt er R&B-Sängerin Tanerélle einen wunderbar seltsamen Soul-R&B-Hybriden singen. Mit Hardcore-HipHop-Institution Freddie Gibbs erklingt in „Kane Train“ einer der wenigen Rapper, die mit Stewarts manisch rasselnden Hi-Hats mithalten können. In „Sleepy Pietro“ tanzen seine hektischen Beats um melancholische Klavierakkorde, gespielt vom armenischen Jazzpianisten Tigran Hamasyan. Es ist ein Album, das sich in alle Richtungen gleichzeitig auszudehnen scheint. Wie das Universum selbst.

Veröffentlichung: 9. Oktober 2020
Label: Ninja Tune

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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