Fabiana Palladino – „Fabiana Palladino“ (Rezension)

Cover des selbstbetitelten Debütalbums von Fabiana Palladino

Fabiana Palladino – „Fabiana Palladino“ (Paul Institute)

8,0

Einen Wappenschild oder zumindest eine fantastisch gestaltete Visitenkarte gibt das selbstbetitelte Debütalbum von Fabiana Palladino ab. Umgesetzt mit funktionalem Minimalismus und von der erhabenen Schönheit eines perfekten Ganzen, an dem nichts zu viel ist. Palladino hat ihr Debüt nicht alleine geschrieben, sondern auch produziert. Zwar hat sie nicht alles allein aus dem Boden gestampft, aber es ist so etwas wie eine erweiterte Familienangelegenheit. Da diese erweiterte Familie in den höchsten Musik-Ligen spielt, veröffentlicht Fabiana Palladino konsequenterweise nichts, das nicht etwas ganz Besonderes ist. Während ihr Bruder Rocco und ihr Vater Pino Palladino als Bassisten ihr Geld verdienen (die Studiolegende Pino spielte unter anderem für Paul Young und D’Angelo), steht Fabiana als Sängerin und Songwriterin im Zentrum ihres Outputs.

Vom Vater lernte sie, wie man am besten die eigenen Fertigkeiten in die Dienste anderer stellt. Sie spielte unter anderem Klavier für The Maccabees oder sang für Jessie Ware. „Ich mag es, die Visionen anderer zu verwirklichen, solide und zuverlässig zu sein“, sagt Palladino. Aber „Künstlerin zu sein, ändert die Denkweise völlig.“ So musste sie erst lernen, ihre Sidewoman-Tugenden auf das eigene Werk zu übertragen. Dennoch klingt die LP über eine Trennung, die Fabiana Palladino den Boden unter den Füßen wegzog, nach müheloser Souveränität. In Wirklichkeit jedoch hat sie „entsetzliche Angst davor, etwas zu veröffentlichen und es zu bereuen“. Tatsächlich ist ihr Output zwischen 2011 und 2015 nur noch schwer online zu finden.

Minimalistisches Klangraum-Feng-Shui

Somit beginnt ihre offizielle Diskografie nun mit der 2017er Single „Mystery“ auf Paul Institute. Sie war das erste Signing auf dem Label des verhinderten Avantgarde-R&B-Hoffnungsträgers Jai Paul, mit dem sie seither eng zusammenarbeitet. Wie Paul geht sie ihr Schaffen bedächtig und „Stück für Stück an, weil es sehr seltsam und ein bisschen überwältigend ist“. Für ihre erste LP wollte Palladino allerhöchstes Produktionsniveau: „Ich bin mit Musik aus Studios aufgewachsen, die von großartigen Musiker*innen gespielt und von brillanten Tontechniker*innen aufgenommen wurde.“ Dazu gehört offenkundig Prince mit seinem spartanischen Klangraum-Feng-Shui und kreativen Wagemut. Während „Shoulda“ tatsächlich ein rockigerer 1987er Prince-Hit sein könnte, beschränken sich die offensichtlichen Prince-ismen ansonsten auf Arrangementdetails.

„In The Fire“ hingegen erinnert an skelettale Missy-Elliott-Beats. Obschon sich auf dessen Höhepunkt Flöte und Gitarrensolo surreal duellieren, ist im Song wie auf dem gesamten Album nichts überflüssig. Entfernte man ein Element, würde die Geschichte nicht mehr funktionieren. Ähnlich ticken und klackern der Opener „Closer“ und das nachfolgende „Can You Look In The Mirror?“. Prinzipiell sei das Songwriting eher traditionell, sagt Palladino. „Aber die Produktion ist es nicht. Ich versuche, bestimmte Erwartungen zu brechen.“ Daher wäre es bei dem meisten Stücken äußerst umständlich, sie mit Genrebegriffen zu beschreiben. Vollkommen klar hingegen ist die Produktion. Kristallklar und penibel aufgeräumt, um genau zu sein. Dabei aber nie seelenlos oder steril.

Besseres harrt

Den souligen Futurismus des Albums bringt die Motown-Duett-Abstraktion „I Care“ mit Jai Paul am besten auf den Punkt. Anfänglich ersuchte Palladino Paul auch um Produktionsunterstützung. Doch zu ihren Demos sagte er: „Du hast es bereits produziert – es ist schon da.“ Heute ist Palladino nicht mehr die Schülerin. Sondern eine große Songwriterin, die auf die Dienste ihrer erweiterten Familienband zurückgreift, um aus emotionalem Rohmaterial filigrane Skulpturen zu meißeln. Zu der gehören Jai Paul, Pino und Rocco Palladino. Doch die Handschrift gehört Fabiana. Einer Künstlerin, die uns nicht nur veröffentlichungstempotechnisch lehrt, welche Belohnung die Tugend des Wartens birgt. Beispielsweise, wenn die LP nach einer beeindruckenden ersten Hälfte ein neues Hitfeuerwerkniveau erklimmt.

Genau in der Mitte prangt das Kronjuwel „Stay With Me Through The Night“, dessen rhythmisches Feeling Funk und Disco inspirierten. „Aber wir wollten den Track in anderen Produktionsbereichen in eine andere Richtung lenken, um die großen Gefühle hervorzuheben“, sagt Palladino über diese erste Komposition für den Longplayer. „Der Song versetzt uns in die emotionale Welt, die ich für den Rest des Albums schaffen wollte.“ Textlich wirft er uns zwischen die Trümmer einer langen Beziehung, deren Einsturz viele persönliche Lebensziele mit sich gerissen hat. „Es schmerzt schon, akzeptieren zu müssen, dass es nicht so gelaufen ist“, sagt Palladino. „Aber: Wie kann ich das begrüßen und Kraft daraus schöpfen? Ich fühle mich jetzt super und bin froh, wie sich mein Leben entwickelt hat.“ Während die Lyrics ein verzweifeltes Sich-Festklammern schildern, zeigt die selbstbewusste Darbietung: Das Kapitel ist abgeschlossen und nach dem Tal harrt Besseres.

Veröffentlichung: 5. April 2024
Label: Paul Institute

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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