„It‘s great, it sold, it‘s the bloody ‚White Album‘!“ – „The Beatles“ wird 50 Jahre alt

The Beatles: John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr

John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr aka The Beatles

Das Album „The Beatles“ markiert den Moment, in dem aus der möglicherweise größten Band aller Zeiten ein Kollektiv wurde. Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr eroberten die Welt als unaufhaltsames Quartett. Vier Lads aus Liverpool, jeder mit seinen eigenen Charakteristika gesegnet, „der Süße“, „der Witzige“, etc. – und trotzdem eine unverwüstliche Einheit. Doch ihr neunter Langspieler zeichnete ein anderes Bild: vier Superstars, die sich gegenseitig nicht mehr ausstehen konnten. Das Cover ist schmucklos weiß, nur mit dem Bandnamen verziert. Der produktivste Songwriting-Think-Tank der 60er-Jahre schrieb nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander. Und presste seine disparaten Geniestreiche auf ein gigantisches, überwältigendes 90-Minuten-Album. Am 22. November 2018 wird dieses klobige Mammutwerk 50 Jahre alt.

Ein Jahr zuvor waren The Beatles auf dem Zenit: Mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ läuteten sie das Zeitalter des kunstvollen Konzeptalbums ein – und perfektionierten dabei das Medium. Man schaue sich die Superlative an: Der Psychologe und Autor Timothy Leary nannte die vier Musiker die „weisesten, heiligsten, produktivsten Avatare, die die Menschheit je hervorgebracht hat.“ Das Time Magazine nannte das Album einen „historischen Aufbruch im Fortschritt der Musik“ – nicht nur der Pop-Musik, sondern der Musik im Allgemeinen.

Ein klobiges Meisterwerk

Anfang 1968 reisten The Beatles nach Rishikesh, Indien, um dem Schatten dieses Albums und seines Ruhmes zu entfliehen. Während der Guru Maharishi Mahesh Yogi sie in seine transzendentale Meditationskunst einwies, fingen die Lads wieder an zu schreiben. Ende Mai fanden sie sich in den Abbey Road Studios ein, mit etwa 40 Songs im Gepäck.

Doch die Stimmung war nicht gut: Der Provokateur Lennon nannte McCartneys Kompositionen „widerlich süß und fade“, während Melodien-König McCartney Lennons Songs „schroff, unmelodiös und gewollt kontrovers“ fand. McCartney war außerdem mit Starrs Schlagzeugspiel unzufrieden, im Falle von „Dear Prudence“ spielte er den Part einfach selber ein. Stammproduzent George Martin, der den Sound der vorangegangenen Alben essentiell mit beeinflusste, verließ aus Frustration die Aufnahmesessions für mehrere Wochen, Starr und Harrison taten es ihm gleich. Und dann war da auch noch Yoko Ono, Lennons neue private und kreative Partnerin, die – obwohl Freundinnen und Ehefrauen bisher bei The Beatles hartes Studioverbot hatten – durch ihre Omnipräsenz die zwischenmenschliche Anspannung in die Höhe trieb. 30 Songs landeten auf „The Beatles“ – nur auf 16 davon sind alle vier Bandmitglieder zu hören.

Trotz der Konflikte, die die Band im Inneren zerrissen, und der gigantischen Menge an Songs ein perfektes Album abzuliefern – das konnten selbst The Beatles nicht schaffen. Die pseudo-avantgardistische Sound-Collage „Revolution 9“ ist auch nach 50 Jahren immer noch quasi unhörbar. Alberne Vignetten wie „Wild Honey Pie“ oder „Piggies“ wären auf fokussierteren Platten wie „Revolver“ oder „Sgt. Pepper’s“ gnadenlos gestrichen worden. Und das klebrige „Ob-La-Di Ob-La-Da“ darf zu den Tiefpunkten des Beatles-Œuvres gezählt werden – der Journalist Chris DeVille fasst den Song kürzlich perfekt mit den Worten „catchy like the black plague“ zusammen.

Unhörbare Tiefen, schwindelerregende Höhen

Doch die Höhen, die diese Band in diesem isolierten Wettkampf erreichte, sind schwindelerregend. Mit „While My Guitar Gently Weeps“ bewies Harrison endgültig, dass er es als Songwriter mit Lennon/McCartney aufnehmen konnte – ein Song, der einem auch nach fünf Jahrzehnten mit seinem bedrohlichen Basslauf und Gitarrenkaskaden den Atem rauben kann. Lennon singt den Hardrock-Blues „Yer Blues“ mit einer solchen Dringlichkeit, dass man denkt, er würde gleich aus den Boxen fallen. Das Gegenstück dazu bildet „Dear Prudence“, Lennons bedachtes Meisterstück im Spannungsaufbau. McCartney schrieb mit „Blackbird“, „I Will“ und „Martha My Dear“ wunderbar melancholische Traum-Melodien – um dann mit dem zerstörerischen „Helter Skelter“ den Heavy-Metal zu erfinden.

Und dann ist da noch „Happiness Is A Warm Gun“, ein Songwriting-Experiment von Lennon, bestehend aus drei Teilen, das für dieses Album (unbeabsichtigt) Symbolcharakter hat. Der erste Teil, genannt „The Dirty Old Man“, ein melancholischer Rock-Song in Moll. Der zweite Teil, genannt „The Junkie“, fuzziger Opium-Blues-Rock. Der dritte Teil, genannt „The Gun-Man“, bizarrer Doo-Wop-Soul, gefüllt mit sexuellen Doppeldeutigkeiten. Ein überwältigendes Stück Pop-Musik, zusammengesetzt aus grundverschiedenen Teilen – was ebenso für das gesamte Album gilt. Oder wie McCartney selber einst sagte: „Ich war nie einer von denen, die sagten, es waren zu viele Songs oder so. Ich meine: Es war toll, es hat sich verkauft, es ist das verdammte ‚White Album‘, also halt‘s Maul!“

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