Farai – „Rebirth“ (Rezension)

Cover von Farai – „Rebirth“ (Big Dada)

Farai – „Rebirth“ (Big Dada)

8,2

Als Sex Pistols 1977 ihre Single „God Save The Queen“ veröffentlichten, war der Aufruhr groß. Mit seinem hasserfüllten Vibrato schimpfte Johnny Rotten das Reich der Königin ein faschistisches Regime, während seine Band mit dreckig verzerrtem Rock‘n‘Roll das Punk-Zeitalter einläutete. Eine Revolution in dreieinhalb Minuten, die auch 33 Jahre später immer noch in zum zweitkontroversesten Song aller Zeiten gewählt wurde, nur getoppt von The Prodigys hedonistisch-sexistischer Party-Hymne „Smack My Bitch Up“. Hört man sich heutzutage „God Save The Queen“ an, schockieren die Powerchords, die vor 41 Jahren mit der Wucht eines Molotow-Cocktails die Pop-Charts in Flammen setzten, nicht mehr. Was einst radikal und aufregend wirkte, wirkt heute bekannt und weichgespült.

„Lizzy“, der zweite Song des Debütalbums von Farai, knüpft thematisch an vielerlei Punkten an „God Save The Queen“ an. Schließlich sitzt auch nach 41 Jahren immer noch der gleiche Mensch auf dem britischen Thron. Doch hier klingt so gar nichts weichgespült. Ein dissonant verstimmter Synthesizer und ein schleppender Drumcomputer sorgen für pures Unwohlsein, während eine Stimme den Unterschied zwischen Crack- und Dope-Smokern, Meinungen und Fakten erklärt – nur um im Anschluss die Königin dieses Landes zu segnen: „God bless Elizabeth aka Lizzy“, spuckt Farai aus, halb gesprochen, halb ausgekotzt. Und das war erst der Anfang dieses Albums.

Radikal und aufwühlend

Zu Farai gehört neben der gleichnamigen, in Zimbabwe geborenen Sängerin noch der guyanisch-walisischem Produzenten Tone. Das in London lebende Duo sorgte 2017 mit der EP „Kisswell“ für Aufruhr, auf dem es seinen dystopischen Revolutionsmusik-Entwurf zum ersten Mal demonstrierte: Ein Genre-Bastard, der die Wut des Punk mit Grime-inspirierten Beats, mächtigen Synthesizern und R&B-Passagen kombiniert.

Aus diesem Entwurf wird nun auf ihrem Debütalbum „Rebirth“ ein Statement. Wenige Sekunden nach dem Ende von „Lizzy“ rechnen Farai in „Punk Champagne“ mit all den „poor rich boys“ (und Girls) dieser Welt ab, begleitet von einem bösartig knurrenden Synth-Bass. Nach dem überraschend versöhnlichen Indie-R&B-Einschub „Talula“ geht es in „This Is England“ gleich an das nächste Feindbild: die StrippenzieherInnen des Brexit-Referendums. So schön hat noch niemand „Miss May“ mit „Fuckery“ gereimt. Songs wie „Love Disease“ und „National Gangster“ sind grimige Post-Punk-Bretter, irgendwo zwischen Ebony Bones und Sleaford Mods. Und mit „Space Is A Place“ beweisen Farai, dass sie all ihre Wut auch in astreine Hooks verpacken können.

„It’s time for the bright young things to rise“ heißt es an anderer Stelle – und man ist geneigt, Farai zuzustimmen. Denn auch, wenn sie sich nicht selber meinen: Farai sind young, bright und verdienen es mit diesem Album, an die Speerspitze der Gegenkultur aufzusteigen. Mit „Rebirth“ beweisen sie, dass Punk auch im Jahr 2018 noch radikal und aufwühlend sein kann.

Veröffentlichung: 30. November 2018
Label: Big Dada

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