Thundercat – „It Is What It Is“ (Rezension)

Cover des Albums „It Is What It Is“ von Thundercat

Thundercat – „It Is What It Is“ (Brainfeeder)

8,5

In Serien gibt es oft diesen liebenswerten Nebencharakter, über den sich alle freuen, wenn er seinen Moment hat. Wie Mr. T („The A-Team“), Hugo Hurley („Lost“) oder Todd Chavez („Bojack Horseman“). Mit der Rolle des sympathischen Weirdos, über dessen Name im Booklet sich Musikfans freuen, wenn sie ihn entdecken, konnte Stephen Bruner alias Thundercat eine Weile gut leben. Aber der funny Sidekick hat inzwischen seinen eigenen Film.

2017 war Thundercat mit „Drunk“ der Durchbruch als Solokünstler gelungen. Schon zwei Jahre zuvor zementierte Bruners Einfluss als kreative Muse für das Black-Diaspora-Epos „To Pimp A Butterfly“ von Kendrick Lamar dessen Status als größter Rapmusiker seiner Generation. Oft bleiben Musiker wie Thundercat im Hintergrund, weil ihre Musik schwer zugänglich ist. Sein neues Album „It Is What It Is“ findet die Balance zwischen Lässigkeit und musikalischem Gewicht.

Im Rheinland übersetzt man den Albumtitel mit „et kütt wie et kütt“ – es kommt wie’s kommt. Diese entspannt-gleichmütige Haltung ist vielleicht der Nährboden für Thundercats gelegentlich schaumig aufbrausenden Mix aus psychedelischen Fusion-Grooves und seinem leichtherzigen Falsett-Gesang. Dass die nach Nähe suchenden Songs trotz des säuselnden Sängers nicht schnulzig klingen, liegt an dem unverwechselbaren Signature-Sound des Labels Brainfeeder. Es ist die konsequente Raffinesse dieser durch 70er-Jahre-Jazz und Prog-Rock geprägten Musik, die Thundercats jahrelanger Weggefährte und Labelgründer Flying Lotus im vergangenen Jahrzehnt auf Brainfeeder kultiviert hat.

Eben jener Produzent saß auch für „It Is What It Is“ am Mischpult, um dem Album seinen warmen Vintage-Klang zu verpassen. Wie stark Thundercat und Flying Lotus voneinander profitieren, hört man auf „Unrequited Love“. Während Flying Lotus in seinen eigenen Songs gelegentlich Sample-Trümmer auftürmt, tendiert Thundercat zu einer Seichtheit, die zwar oft ironisch gemeint ist, aber auch anstrengend sein kann. Im Zusammenspiel finden die beiden den richtigen Pfad durch das Dickicht aus Ideen.

Cartoons gucken im Raumschiff

Alles auf diesem Album schaut auf irgendetwas zurück. Auf Anime-Merchandise als seltsames Flirt-Argument („Dragonball Durag“) oder auf Frank Zappas wilde Kürze („How Sway“). Refrain-Melodien erinnern an 90er-Jahre-TV-Musik. Aber Thundercat spielt bloß augenzwinkernd mit Gesangsschemata von Cartoon-Intros, platziert sie aber in einem komplex komponierten Crossover und macht mit dem Titel „I Love Louis Cole“ auch noch eine Liebesbekundung an den Drummer des Stücks. Thundercats viertes Album fühlt sich an, als würde ein Teenager endlich all das machen, was er lange nicht durfte. Und so sitzt dieses Kind gebliebene musikalische Genie in seinem Raumschiff und schaut Cartoons, während sein Bass durch das Universum voller Fusion, Soul und Jugend-Nostalgie wabert.

Energie voller Gegensätze platzt überall aus diesem Album heraus. Während auf „King Of The Hill“ der Thrill mondverhangener Nächte noch vorwärts schleicht, ist „Innerstellar Love“ ein Rausch im Raum. Künstler dreier Generationen (Steve Arrington, Steve Lacy und Childish Gambino) schütteln auf „Black Qualls“ einen unbeschwerten Groove aus dem Handgelenk – auf dem sie Paranoia besingen. Thundercat lädt uns aber dazu ein, das alles nicht zu hinterfragen. Einfach zurücklehnen und die Reise durch die Einflüsse genießen. It is what it is. Als wäre es ein finales Statement, fängt der Schluss- und Titeltrack des Albums irgendwo bei Pink Floyd an und rast später mit galoppierenden Drums davon.

Nochmal zurück an den Anfang. Mit den ersten Worten des Albums stellt Thundercat die Frage: „Hi, hello / Is anybody here? / Let me know if you can hear me“. Yes, wir hören. Mit Vergnügen!

Veröffentlichung 3. April 2020
Label: Brainfeeder

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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