Childish Gambino – „Awaken, My Love!“ (Glassnote)
8,3
Was ein Ausbruch kurz nach Anbruch der zweiten Minute von „Me And Your Mama“! In diesem Moment stellt Childish Gambino klar, dass uns mit „Awaken, My Love!“ keine sanftes Programm erwartet, keine wohligweiche Funk- und Pop-Affäre. Hätte man nach den ersten zwei glitzernden Synth-Minuten schon denken können. In jedem Fall bricht Childish Gambino mit Erwartungen. Für sein letztes Album „Because The Internet“ war er noch in der Kategorie „Rap“ für einen Grammy nominiert, jetzt gibt er dem ekstatischen Funk von George Clintons Funkadelic-Kollektiv und dem psychedelischen Soul von Bootsy Collins ein Makeover.
Die Zäsur im Opener von „Awaken, My Love!“ ist eine den Track zerberstende Gitarre, gefolgt vom markerschütternden Predigen und Betteln von Childish Gambino. Noch mehr Wucht bringt ein Chor in das Ganze, der hier auch von der Apokalypse künden könnte, so ernst und gleichzeitig gefühlvoll klingt er. Auch dem Song „Have Some Love“, der in einem spacigen Jam von Stimmsamples, Synthesizer und Percussion in die Höhe geht, gibt der Chor in Sly-And-The-Family-Stone-Manier seine Bodenhaftung zurück. Und die Stimme von Childish Gambino macht ihre ganz eigenen Trips.
Sie jauchzt, sie schreit, sie verzehrt sich. Beim Song „Redbone“ bleibt es schwer zu glauben, dass hier wirklich Childish Gambino am Mikrofon steht, und nicht etwa Patti LaBelle. Sein Falsetto gesellt sich in dem Song zu einer bescheidenen, groovenden Bassline, und zerfließt an manchen Stellen fast. Ein schwer tanzbarer Slowjam ist das. Hier gleiten Füße hinweg, hier gehen Herzen auf. Und auch trippige Stimmungen werden auf der Platte bedient: tiefe Bässe, Synthie-Melodien wie Sternenhimmel und der wandelvolle Gesang auf „Terrified“ lassen einen geradewegs ins Weltall driften.
Childish Gambino zeigt mit „Awaken, My Love!“, was eigentlich schon bekannt ist: Dieser Typ ist mit vielen Wassern gewaschen, er kann sich in alle Hüllen kleiden – in einem anderen Leben ist er als Donald Glover ein ausgezeichneter Schauspieler. Und „Awaken, My Love!“ atmet 70er-Nostalgie, aber die Songs haben Seele. Wenn Glover hier kreischt, leidet, vergibt und entzückt, klingt das nach vielem, aber nicht nach Kunstkniff.
Veröffentlichung: 2. Dezember 2016
Label: Glassnote