Neue Platten: Shabazz Palaces – „Lese Majesty“

Shabazz Palaces - Lese Majesty (Sub Pop)Shabazz Palaces – „Lese Majesty“ (Sub Pop)

9,1

Man muss nur wenige Töne von „Lese Majesty“ hören, um zu wissen, dass sich hier ein ganzer Kosmos öffnet: Es umschwirren einen die Sounds wie bei Sun Ra, Herbie Hancock und Miles Davis, die Theorien wie bei Kodwo Eshun und Nelson George, der Afrofuturismus und die Alienation, die Vergangenheit und die Zukunft gleichermaßen vereint in einem gegenwärtigen Moment, der über sich selbst hinausweist. Denn gleichzeitig weiß man, dass da immer noch mehr ist, mit jedem Sound gibt es weitere Referenzen zu entdecken. Und dann sind da noch die Texte, bei denen man häufig nur eine Ahnung hat, worum es eigentlich gerade geht, wie z. B. in „Dawn In Luxor“, dem Eröffnungsstück: „Meet us there / We throwing cocktails at the Führer / Blackness is abstracted and protracted by the purest / Moderns Cubists or Surrealists / To sleep they couldn’t lull us so we synthesise our realest one.“ Puh.

Also erst einmal die Fakten: Shabazz Palaces stammen aus Seattle und sind ein Projekt von Palaceer Lazaro, der mit bürgerlichem Namen Ishmael Butler heißt und als Butterfly zum wegweisenden HipHop-Trio Digable Planets gehörte, und Fly Guy Dai, bei dem es sich um den Multiinstrumentalisten Tendai „Baba“ Maraire handelt, der Sohn des simbabwischen Musikers und Komponisten Dumisani Abraham „Dumi“ Maraire ist und zusammen mit Hussein Kalonji noch im März eine Platte als Chimurenga Renaissance veröffentlicht hat. Das Debüt von Shabazz Palaces, „Black Up“, erschien im Jahr 2011 auf Seattles Label Sub Pop. Pitchfork beschrieb die Musik als „some of the most exploratory hip-hop of the year“: fragmentierte Raps und verwirrende Beats, die am ehesten noch an Clouddead und den Jazz-Rap der frühen 90er erinnerten. Womit wir zurück bei den Digable Planets sind, die diese Stilart beherrschten wie sonst niemand und deren „Blowout Comb“ auch 20 Jahre nach der Veröffentlichung zurecht noch hoch gehandelt wird.

Für „Lese Majesty“ hilft einem das aber auch alles nicht so richtig weiter. Beats gibt es in den auf sieben Suiten aufgeteilten 18 Stücken weniger dick als vielmehr ziseliert. Hooks, erkennbare Samples, Referenzen? Fehlanzeige. Wenn es so was gibt, dann ist „Lese Majesty“ wohl die erste experimentelle Ambient-HipHop-Platte. Die Rhythmen sind kaputter als bei Actress, fließen frei daher und kommen einem höchstens von Warp-Künstlern und Artverwandten vertraut vor. Vom leicht durchgeknallten „#CAKE“ geht es mit Tribal-Beats hinüber zu „MindGlitch Keytar TM Theme“ mit Irgendwie-Miami-Bass und 190-BPM-House-Tönen, bis es in das dope Geschlurfe von „Motion Sickness“ hinübergleitet. Es piept hier, es knarzt da, es holpert, es stolpert. Es sind schräge Science-Fiction-Geschichten, seltsame Assoziationsketten, die in vielen Momenten aber durch einfache Raps geerdet werden, in denen es aber wie selbstverständlich auch ganz schnöde mal um Skillz geht und darum, einfach nur ein paar Wörter aneinanderzureihen („I set the tone like Al Capone / I’m very nice like Jerry Rice“). Das sind die anschlussfähigen Momente auf „Lese Majesty“, die dafür sorgen, die Platte als das wahrzunehmen, was sie ist: ein glitzerndes Beispiel dafür, welche vielfältigen Möglichkeiten dem HipHop immer noch innewohnen, wenn es nicht nur um dicke Hosen, Autos und den ganzen anderen materialistischen Krempel geht, sondern einfach mal um Musik.

Label: Sub Pop | Kaufen

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