„I’ve Seen That Face Before“: Grace Jones wird 70

Zum 70. Geburtstag von Grace Jones

Grace Jones wird 70 Jahre alt (Foto: By Bruce Baker, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons, dieses Bild wurde digital nachbearbeitet)

Angesprochen auf die Angst, zu viel von sich preiszugeben, hatte Grace Jones Anfang des Jahres im Interview mit Spiegel Online eine sehr gute Antwort parat: „Ich weiß doch selbst noch längst nicht alles über mich.“ Die US-amerikanisch-jamaikanische Sängerin, Poetin, Schauspielerin und Stilikone war und ist einerseits eine der schillerndsten Persönlichkeiten ihrer Generation, andererseits aber auch immer umgeben von einer mysteriösen, unnahbaren Aura. Am 19. Mai 2018 wird sie 70 Jahre alt.

Grace Jones wurde als Grace Beverly Jones in der jamaikanischen Stadt Spanish Town geboren. Im Alter von 22 Jahren zog es das junge Model in die Mode-Metropole Paris. Die lokale Mode-Szene zeigte sich von ihrer ungewöhnlichen, androgynen Erscheinung fasziniert, bald schon arbeitete sie für Größen wie Yves St. Laurent oder Kenzo Takada. 1977 erkannte Island Records ihr musikalisches Potential und nahm die damals 29-Jährige unter Vertrag.

Im selben Jahr erschien „Portfolio“, das Debütalbum von Grace Jones. Es war die erste von drei Disco-Platten, die alle in Zusammenarbeit mit dem Disco-Produzenten Tom Moulton aufgenommen wurden. Die Songs waren zum Großteil Coverversionen, darunter Broadway-Hits wie „Send In The Clowns“ von Stephen Sondheim oder – ihr erster Hit – eine sehr eigene Interpretation von Edith Piafs „La Vie En Rose“. Schon damals hatte Jones die Gabe, Songs aus fremden Federn in persönliche Statements zu verwandeln. So mutierte beispielsweise Piafs ätherische Ballade bei ihr zu einer sinnlichen Bossa-Nova-Hymne.

Verwandlung durch Aneignung

Als zum Beginn der 1980er-Jahre der Disco-Sound weniger angesagt war, überarbeitete Jones ihren Stil. Auf Alben wie „Warm Leatherette“ oder „Nightclubbing“ stand nicht mehr der Pomp eines Sondheim auf dem Spielplan, sondern der glamouröse Art-Rock von Roxy Music („Love Is The Drug“) oder der dreckige Post-Punk eines Iggy Pop („Nightclubbing“). Begleitet von der legendären jamaikanischen Rhythmusgruppe Sly & Robbie schuf sie aus Elementen von Funk, Reggae, Post-Punk und Synth-Pop ihren ganz persönlichen New-Wave-Bastard.

Auch die Cover-Versionen wurden raffinierter: So ließ Jones das mysteriöse Thema von „Libertango“, ein Song des argentinischen Tango-Komponisten Astor Piazolla, in die Reggae-Ballade „I‘ve Seen That Face Before“ einweben. Zwei grundverschiedene Genres, Reggae und Tango, vibrieren plötzlich in Harmonie. „Hier bekommt eben nicht eine Frau von Männern Lieder auf den Leib geschrieben, wie es so unschön heißt“, bemerkte dazu ByteFM Moderator Klaus Walter im Jahr 2008 in seiner Sendung Was ist Musik – „Hier passiert eine Verwandlung durch Aneignung.“

Mitte der 1980er-Jahre begann auch Jones‘ Schauspiel-Karriere: 1984 spielte sie die weibliche Hauptrolle in Richard Fleischers „Conan der Zerstörer“, ein Jahr später war sie das „Bond-Girl“ May Day in John Glens wundervoll albernem James-Bond-Film „A View To A Kill“. Ähnlich wie in ihrer Musik hatte sie auf der Leinwand eine unnachahmliche Präsenz, mit der sie auch Leinwand-Stars wie Christopher Walken, Roger Moore oder Arnold Schwarzenegger überstrahlte.

Ihr (hohes) Alter ist der Künstlerin selbst erfrischend egal – wie diese Anekdote aus dem eingangs erwähnten Spiegel-Interview belegt: „Als ich kürzlich einen neuen Reisepass beantragen musste, wurde ich vorgeladen! Wie sich herausstellte, waren sie irritiert, weil auf Wikipedia ein anderes Geburtsdatum zu finden war als in meinem Pass. Seither kennt man beim FBI also mein exaktes Alter. Und allen anderen darf es gerne genauso unwichtig sein wie mir!“

Am 24. September 2017 stand Grace Jones bereits auf dem Lehrplan von Christian Tjabens School Of Rock. Mitglieder im Förderverein „Freunde von ByteFM“ können die Ausgabe im ByteFM Archiv nachhören.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Dirle
    Mai 18, 2018 Reply

    Unglaublich was Grace Jones immer noch auf der Bühne abzieht: https://www.youtube.com/watch?v=hgpBNmXFO1s

    Musikalisch nicht der totale Knaller, aber Grace Jones war immer mehr als Gesamtkunstwerk zu sehen.

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