Nepumuk & Retrogott – „Metamusik“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Metamusik“ von Nepumuk & Retrogott, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Nepumuk & Retrogott – „Metamusik“ (Sichtexot)

Dort, wo im Mainstream-Deutschrap wenig Liebe zu finden ist, haben es sich Kurt Tallert und Nelson Brandt gemütlich gemacht. Das verkünden die beiden Rapper und Produzenten, besser bekannt als Retrogott und Nepumuk, ganz zu Beginn ihres neuen gemeinsamen Albums: „Wir machen Metamusik / Irgendwo neben der Rubrik, auch wenn nicht jeder mich liebt / Es ist nicht die Popularität, die mich zieht / Sondern der Jazz und eine Idee, die geschieht.“

Musikalisch ist „Metamusik“ das entspannteste deutsche HipHop-Album seit langem. Sowohl Retrogott als auch Nepumuk bezogen sich in ihrer Musik schon immer mehr auf die US-amerikanische Vergangenheit als auf die deutsche Gegenwart. Tallert produziert seit über einem Jahrzehnt HipHop in der Tradition des New Yorker Native-Tongues-Kollektivs. Und auch Brandts letzte Solo-LP „Ad Absurdum“ klang mehr nach De La Soul und A Tribe Called Quest als nach dem Trap-lastigen Deutschrap, der seit Jahren die deutschen Pop-Charts dominiert.

Tiefenentspannt und ungemütlich

Auf „Metamusik“ übertreffen sich beide Künstler selbst. Auf der LP gibt es keine Gastrapper*innen und Gastproduzent*innen, alle Zeilen und Beats wurden von ihnen persönlich geschmiedet (in den Credits taucht Nepumuk unter seinem Produzenten-Pseudonym Knowsum auf). Das einzige Feature stammt von Retrogotts langjährigem DJ Hulk Hodn, der im Titeltrack seine Scratching-Skills demonstriert. Ansonsten brauchen Retrogott und Nepumuk aber auch gar keine Unterstützung. Die 14 Tracks (und acht auf einer zusätzlichen 7‘‘ versammelte Instrumentals) sind eine Meisterklasse in Sachen Groove: Die Snares sind knusprig, die Basslines maximal zurückgelehnt. Die Soul-Samples und Jazz-Pianos knistern wie ein Kaminfeuer. Das ist mehr als rückwärtsgewandte Golden-Age-Nostalgie. Das ist ein Statement. In „Die Sprache des Geldes“ bringt Retrogott ihre musikalische Philosophie auf den Punkt: „Ich schreib Raps, um mich auszuruhen / Von Kapital, Zeitgeist, Autotune / Ihr nennt es Moderne und ich nenn es Gewohnheit.“

Damit kommen wir zu der textlichen Finesse, die Retrogott und Nepumuk hier an den Tag legen. Bei all der musikalischen Entspannung haben beide Rapper einige gesellschaftskritische Giftpfeile in petto: „Das hier ist ’ne Mischung aus Hölle und Schlaraffenland / Zwischen Sekt-Empfang und roter Teppich herrscht Klassenkampf“, rappt Nepumuk in „Gegensätze“. In „99 Cent“ ätzt Retrogott gegen in Massenproduktion hergestelltes Billigfleisch. „Wir wollen uns mal nicht unnötig belasten / Und lassen die Kneifzange im Werkzeugkasten“, heißt es erst ironisch in „Vermeidungsstrategien“ – und dann später: „Alle sind stabil, männlich und real / Während Geier tief kreisen und die Scheiße oben schwimmt / Frag ich mich ob Reichs- und Bundesadler nicht doch der gleiche Vogel sind.“ Nicht alles auf diesem Album ist gemütlich – und das ist genau richtig so.

Veröffentlichung: 26. März 2021
Label: Sichtexot

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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