Das Alínæ Lumr Festival 2017 in Storkow

Das Alínæ Lumr Festival 2017 in StorkowTiefenentspannung in der Provinz: Zur Musik von F.S. Blumm und Jeff Özdemir ließen die FestivalbesucherInnen den Sonntagnachmittag gemütlich ausklingen.

Mitten in Brandenburg, zwischen Scharmützelsee und Storkower See, liegt das Kleinstädtchen Storkow. Die Stadt hat viele Qualitäten – von der bereits erwähnten, malerischen Seenlandschaft über ihre einzigartigen Salzwiesen zu ihrer historischen Burg. Und dann gibt es da noch eine weitere Attraktion: Genau an diesem beschaulichen Ort fand vom 25. bis zum 27. August zum dritten Mal der Geheimtipp unter den deutschen Festivals statt – das Alínæ Lumr Festival.

Um 19 Uhr hatten Ten Fé die Ehre, das Festival auf der Hauptbühne zu eröffnen. Ihre psychedelische Rockmusik traf genau den Nerv des von der Sonne geküssten Publikums, es wurde ausgelassen im gut gefühlten Innenhof der Burg Storkow getanzt. Die BesucherInnen ließen sich dabei von der leichtfüßigen Belanglosigkeit der britischen Band nicht aus dem Takt bringen. Ein angenehmer, aber harmloser Start ins Festivalwochenende.

Düsterer wurde es wenige Zeit später am Mühlenfließ, der kleinsten Bühne des Festivals: Hier lieferten Coals melancholischen Dark-Pop. Die kühlen Vibes des polnischen Duos wollten allerdings nicht so richtig zu der sommerlichen Atmosphäre der malerischen Kulisse passen: Parallel zur Bühne plätscherte gemütlich ein Bach in Richtung Storkower See, gut gelaunte MitarbeiterInnen schenkten schmackhaften selbstgemachten Holunderschnaps aus. Die schwarzgekleidete Band wirkte in dieser Location da fast schon fremd.

Kurz vor 22 Uhr war es Zeit für das erste Highlight des Festivals: Timbre Timbre entfernten sich bereits auf ihrem aktuellen Album „Sincerely, Future Pollution“ vom bluesigen Freak-Folk ihrer frühen Tage – live verwandelte die kanadische Band den Burghof in eine funky Kraut-Disco. Der knochentrockene Bass und das treibend repetitive Schlagzeug peitschte die BesucherInnen in Ekstase. Über allem schwebte Taylor Kirks tiefe, kräftige Stimme, mit der er auch die langsameren Stücke wie die Single „Sewer Blues“ mit einer packenden Dringlichkeit versah.

Nachdem Klez.e auf der Markt-Bühne ihre The-Cure-Gedächtnis-Party erfolgreich abgeliefert hatten, erwiesen sich kurz nach Mitternacht The Notwist als unangefochtener Headliner dieses Festivals. Die Indietronica-Nerds aus Oberbayern dekonstruierten auf der Burg ihre Hits: Songs wie „Boneless“ und „Pick Up The Phone“ wurden immer wieder von mehrminütigen Noise-Workouts oder krautigen Techno-Jams unterbrochen. Die dublastige letzte Strophe von „Pilot“ wurde über fast fünf Minuten bis in die Unkenntlichkeit abstrahiert. Sänger Markus Acher samplt seine eigene Zeile „Different cars and trains“ immer wieder in verschiedenen Verzerrungs-Graden. Als dann plötzlich die ganze Band für einen strahlenden letzten Pop-Refrain einsetzt, war das Lächeln aus dem eigenen Gesicht kaum wegzukriegen. Die wahrscheinlich beste deutsche Live-Band schafft es einfach, aus diesen disparaten Elementen ein unglaublich packendes Ganzes zu erschaffen. Ihre wunderschöne Ballade „Consequence“ beendete den ersten Festivalabend mit einem emotionalen Höhepunkt.

Motivierte FestivalbesucherInnen freute beim Alínæ Lumr besonders, dass die Festival-Booker einen zum überwiegenden Großteil überschneidungsfreien Timetable gezimmert hatten. Eine einzige schwere Entscheidung musste man jedoch am Samstagnachmittag treffen: Sollte man sich lieber vom südafrikanischen Indie-Pop von Dear Reader in der historischen Altstadtkirche berieseln lassen oder doch zusammen mit dem Neoklassik-Zauberer Martin Kohlstedt den Freizeitpark Irrlandia besuchen? Der Autor dieser Zeilen entschloss sich für Letzteres: Umgeben von den zahlreichen Irrgärten des Parks baute sich Kohlstedt seine ganz eigenen Labyrinthe aus Elfenbein, Synthesizer und Fender Rhodes. Umringt vom andächtig lauschenden Publikum verwandelte der Pianist die Freizeitattraktion in eine imposante Konzerthalle.

Auch die Musik von Deerhoof offenbarte oft labyrinthische Züge: Das US-amerikanische Art-Rock-Quartett schlug in ihren oftmals unter zwei Minuten langen Songs so viele Haken, dass man schnell die Orientierung verlor. Gefühlt alle 20 Sekunden kam ein Taktwechsel, ein schnelles Gitarrensolo, wieselflinke Breakbeats, und plötzlich war der Song vorbei. Sängerin und Bassistin Satomi Matsuzaki tanzte dazu unbeirrt ihre seltsamen Choreografien, und das Publikum hatte keine Wahl, als es ihr gleichzutun.

Nach diesem gleichmäßig virtuosen wie anstrengendem Spektakel folgte das Leipziger Cabaret-Indie-Trio White Wine mit einer deutlich freundlicheren Show: Während seine Kollegen an Schlagzeug und verzerrtem Fagott jammten, ging Joe Haege mit den begeisterten ZuschauerInnen auf Tuchfühlung und sang aus vollstem Leib aus der Mitte des Publikums. Ein versöhnlicher Abschluss eines ereignisreichen Tages.

F.S. Blumm und Jeff Özdemir bildeten am Sonntagnachmittag den perfekten Abschluss: Ihr gemütlicher Lo-Fi-Pop klang mal nach Silver Jews, mal nach Morricone, dabei aber immer tiefenentspannt. Das Multitalent Özdemir brach den vielschichtigen Sound seines aktuellen Albums „Jeff Özdemir & Friends Volume 2“ auf minimalistische Arrangements herunter, spielte gleichzeitig Bass und Schlagzeug, und pfiff immer wieder westernartige Melodien. Umringt von sich sonnenden, auskaternden Menschen am malerischen Mühlenfließ beendeten sie mit ihrem angenehmen Set ganz passend das Alínæ Lumr – ein Festival, das gleichermaßen entspannend wie anspruchsvoll sein kann.

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