„Bitteschön, Philophon! Vol. 1“ (Rezension)

Von Marius Magaard, 27. Dezember 2018

Cover von „Bitteschön, Philophon! Vol. 1“

„Bitteschön, Philophon! Vol. 1“ (Philophon)

8,0

„Eukosmisch“ ist ein schönes Wort, das man sehr selten liest. Es setzt sich zusammen aus „eu“, der griechische Vorsilbe für „wohl“ oder „gut“, und „kosmisch“ – hier nicht im Sinne von „Weltall“ zu verstehen, sondern auf das „Ganze“, das „Allumfassende“ bezogen. Ein eukosmischer Mensch findet die Schönheit in der Vielfalt, nicht nur in bekannten und gewohnten Bereichen. „Eukosmisch“ ist ein Wort, dass zur Zeit gern vom Berliner Label Philophon verwendet wird.

Dank des nahezu unüberwindbaren Einflusses von Beatles, Elvis und Konsorten ist die Pop-Musik nach wie vor sehr anglophil. Um das zu ändern, hat Philophon sich einem „eukosmischen Paradigmen-Wechsel“ verschrieben: Gründer Max Weissenfeldt erforscht die Welt nach lokaler, aus eurozentrischer Perspektive eher unbekannter Musik, um den Pop in all seiner Vielfalt zu zelebrieren. Frei nach seinem Motto „Go to the source and dive into the real“ reist Weissenfeldt alleine oder mit seiner Band The Polyversal Souls um den Globus und produziert vor Ort Musik von und mit ansässigen KünstlerInnen. Die eukosmische Schönheit der Welt zeigt die nun veröffentlichte 7‘‘-Compilation „Bitteschön, Philophon! Vol. 1“.

Die philophonsche Weltreise beginnt mit Frafra, einem Musikstil aus dem Norden Ghanas: Der Künstler Guy One kombiniert perkussive Sounds von dem traditionellen Frafra-Instrument Kon (einer zweisaitigen Laute) mit satten Bläserfanfaren und Moog-Melodien. Das Ergebnis ist ein raum- und zeitloser Groove, tanzbar, irgendwo zwischen Gospel, Downtempo und Jazz. Im zweiten Song führt Alemayehu Eshete, der „äthiopische Elvis”, von West- nach Ostafrika. Sein auf Amharisch vorgetragenes „Alteleyeshegnem“ engtanzt im Trip-Hop-Tempo. Ein geheimnisvolles Stück Musik, das klingt, als hätten Massive Attack eine Habibi-Funk-Single geremixt.

Von Ghana über Äthiopien nach Norwegen und wieder zurück

Der überwiegende Großteil von „Bitteschön, Philophon! Vol. 1“ wurde auf dem afrikanischen Kontinent aufgenommen. Eine Ausnahme bildet der norwegische Saxofonist Jimi Tenor, der auf seinen Tracks für Warp Records IDM und Jazz kombinierte und einen Namen machte. Auf Philophon veröffentlichte er 2018 sein aktuelles, Afrobeat-beeinflusstes Album „Order Of Nothingness“. Seine Single „My Mind Will Travel“ lässt sich hier im „Teen Party Edit“ finden, der klingt, als hätte Sun Ra den Dub entdeckt.

Auch Lee Dodou lebt nicht in Afrika. Der Ghanaer zog in den späten 70er-Jahren nach West-Berlin. Ghanaische MigrantInnen machten auch die geteilte Stadt zu einer Hochburg des Highlife – desjenigen Musikstils, den später Fela Kuti zum Afrobeat verwandelte. Dodou war eine der wichtigsten Figuren dieser als „Krautlife“ oder „Burger-Highlife“ genanntenm auf deutschsprachigem Boden produzierten Subkultur. Auf Philophon erschien mit „Basa Basa“ seine erste neue Single seit über 25 Jahren, die mit verschmitzt tanzenden Gitarren und einem anschmiegsamen Klarinetten-Solo aus jedem Ton pure Lebensfreude ausstrahlt.

Jedes der Lieder auf „Bitteschön, Philophon! Vol. 1“ öffnet ein Fenster in eine Welt, die es zu erkunden gilt. Die zehn sehr unterschiedlichen Stücke werden dabei von der druckvollen Produktion von Weissenfeldt zusammengehalten. Seine Label-Kompilation wirkt wie ein faszinierendes Kaleidoskop, das sowohl ExpertInnen als auch NeueinsteigerInnen in die nicht-eurozentristische Musikerforschung den Horizont erweitern kann. Zehn Songs, die einem die Vielfalt des Pop vorführen. Kurzum: ein ungemein eukosmisches Album.

Veröffentlichung: 7. Dezember 2018
Label: Philophon

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