The Scorpions & Saif Abu Bakr – „Habibi Funk 009: Jazz, Jazz, Jazz“ (Rezension)

Cover von The Scorpions & Saif Abu Bakr – „Jazz, Jazz, Jazz“ (Habibi Funk)

The Scorpions & Saif Abu Bakr – „Jazz, Jazz, Jazz“ (Habibi Funk)

7,8

Legt man „Jazz, Jazz, Jazz“, die neueste Veröffentlichung des Labels Habibi Funk, auf den Plattenteller, dann schallen einem Klänge entgegen, die einem gar nicht so unbekannt vorkommen: ein gemütlich swingendes Schlagzeug, präzise E-Gitarren-Tupfer, ein sanft mit den Hüften schlackernder E-Bass, eine bedrohlich oszillierende Hammond-Orgel und ein Saxophon, das über allem seine Kreise zieht. Die Atmosphäre erinnert an Blaxploitation-Soundtracks aus den 70er-Jahren, an ratternde Film-Projektoren und verrauchte Kino-Säle. Was man nicht direkt ahnt: Diese Musik stammt nicht etwa aus der Feder von Isaac Hayes oder Curtis Mayfield, sondern von The Scorpions & Saif Abu Bakr, einer fast vergessenen Konstellation der sudanesischen Musikgeschichte.

Dass die Anfang der 70er-Jahre in der Hauptstadt Khartum gegründete Band nicht in Vergessenheit geriet, ist Jannis Stürtz zu verdanken. Der Gründer von Habibi Funk versammelt seit 2015 psychedelische und tanzbare Schätze aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum. Bisher veröffentlichte das Label Kompilationen, zusammengesetzt aus raren oder vergessenen 7‘‘-Singles verschiedenster KünstlerInnen. „Jazz Jazz Jazz“, die neunte Ausgabe von Habibi Funk, markiert nicht nur ihre erste sudanesische Veröffentlichung – es ist auch der erste komplette Langspieler, den das Label 1:1 wiederveröffentlicht hat.

Stürtz wurde auf das Album zuerst bei einer Online-Auktion aufmerksam – bei der die Platte für 1.000$ über den Tresen ging. Angefixt von der kurzen, im Internet verfügbaren Hörprobe reiste er nach Khartum und lernte vor Ort Amir Sax kennen, eins der Gründungsmitglieder von The Scorpions. Sax wies ihn in die quicklebendige sudanesische Clubkultur der 70er- und frühen 80er-Jahre ein: In dieser Zeit waren zahlreiche Funk-, Jazz- und Soul-Bands in dem Land aktiv, die sich in den unzähligen Clubs Khartums ihre Finger wund spielten. The Scorpions und ihr Sänger Saif Abu Bakr waren eine feste Instanz dieser Szene – die 1983 nach der Einführung des strikten Scharia-Gesetzes und des folgenden Bürgerkriegs zu verschwinden begann.

Eindrucksvolle Zeitkapsel

Ein Vierteljahrhundert später wirkt „Jazz, Jazz, Jazz“ wie eine Zeitkapsel, die eindrucksvoll demonstriert, wie der Sound Khartums zur Blütezeit dieser Szene klang. Die Grooves von The Scorpions & Saif Abu Bakr sind verzahnt und treibend, die Bläser-Fanfaren schallen präzise und druckvoll, doch die Band bleibt dabei stets leichtfüßig und verspielt. In Songs wie „Nile Waves“ oder „Shaikan Music“ schleichen sie mit stolpernden Funk-Beats durch nächtliche Gassen, während Bakr mit jeder Silbe einen verschmitzten Charme ausstrahlt.

Die besten Momente von „Jazz, Jazz, Jazz“ sind aber nicht die Imitationen, sondern die Mutationen, wenn The Scorpions & Saif Abu Bakr Jazz, Funk und Soul in ihre ganz eigene Hybrid-Musik verwandeln. „Farrah Galbi Aljadeed“ ist ein triumphaler Proto-Disco-Stampfer in der Tradition von The Supremes, der aber nicht mit der Grazie einer Diana Ross, sondern mit einer Stimme gesungen wird, die mit ihren Viertelton-Schlenkern sehr weit von westlichen Musik-Konventionen entfernt ist. Ähnlich geht es in „Bride Of Africa“ zu, in dem die Band sudanesischen Soukous mit Funk-Drums verheiratet. Gerade wenn das Gewohnte mit dem Ungewohnten verschmilzt, ist man sehr dankbar, dass diese Platte nicht vergessen wurde.

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