DJ Koze – „Music Can Hear Us“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 7. April 2025

Cover des Albums „Music Can Hear Us“ von DJ Koze

DJ Koze – „Music Can Hear Us“ (Pampa Records)

Am 21. Juli 1969 sahen Millionen Menschem vorm Fernseher zu, wie menschliche Füße zum ersten Mal die Oberfläche des Mondes betraten – und fragten sich spätestens seit dem: Wann bin ich dran? Ja, es war cool und spannend, Neil Armstrong beim interplanetaren Spaziergang zuzugucken. Aber wie aufregend wäre es denn, selbst die unendlichen Weiten zu erleben? Das Versprechen vom Weltraum-Tourismus ist heutzutage keine Science-Fiction mehr. 2023 schickte Musikbusiness-Milliardär Richard Branson mit seiner Firma Virgin Galactic den ersten kommerziellen Flug ins All – ein Ticket kostete 450.000 US-Dollar. Branson ist nicht der einzige Mogul, der in den Sternenhimmel starrt und Profit erkennt: Amazon-Chef Jeff Bezos arbeitet zurzeit an der bemannten Mondfähre Blue Moon, während Elon Musk von der Kolonisation des Mars‘ schwadroniert.

Auch hierzulande haben wir einen Visionär, der nach den Sternen greift – und das ganz ohne geerbtes Milliarden-Kapital: Stefan Kozalla, besser bekannt unter dem Namen DJ Koze. „Seit einiger Zeit arbeite ich an der Idee, den Raumfahrt-Tourismus zu revolutionieren“, sagt der 1972 in Flensburg geborene DJ und Produzent. Sein interplanetarer Ansatz ist aber etwas, in Ermangelung eines besseren Wortes, bodenständiger: „Konkret: Reisen, ohne sich zu bewegen.“ Damit beschreibt er kein astrophysisches Paradoxon, sondern das Hörerlebnis seines vierten Albums „Music Can Hear Us“. Mit transzendentalem Space-Techno, himmlischem Ambient und psychedelischer Electronica zeigt Kozalla, dass der Mensch kein teures Raumschiff braucht, um die Unendlichkeit des Universums zu spüren.

Ein wohliges Gefühl von Antizipation

Genau dort beginnt auch „Music Can Hear Us“, mit „The Universe In A Nutshell“. Ein einleitendes Zitat des Sufi-Mystikers Rumi etabliert die Location als einen Ort „fernab von falsch und richtig“, in dem uns DJ Koze acht Minuten lang mit klackernder und funkelnder Folktronica durch den Äther treiben lässt. Psychedelische Schönheit war schon immer Teil von Kozallas Electronica, sowohl auf seinem 2013er Koze-Debüt „Amygdala“ als auch auf dem Nachfolger „Knock Knock“ (2018). Doch auf „Music Can Hear Us“ scheint der Dancefloor noch weniger Priorität zu haben. „Ich hatte keine Lust mehr, mich an so Formelmusik abzuarbeiten, was ja Club-Musik letztendlich irgendwie ist“, erklärte Kozalla im Interview im ByteFM Magazin. „Ich hab dann selbsttherapiemäßig einfach die Musik gemacht, die aus mir herauskam. Es sieht so aus, dass ich mich dabei eher unter meine Decke verkrochen habe, als durch meine Wohnung zu tanzen.“

Und wenn auf „Music Can Hear Us“ getanzt wird, sind die Beats keine Four-To-The-Floor-Banger im klassischen Sinn (wie es sie beispielsweise auf „Knock Knock“ mit Hits wie „Pick Up“ noch zuhauf gab). Stattdessen gibt es Amapiano-Vibes in „Aruna“ und Balearic-Funk-Grooves in „Pure Love“ (kontrastiert vom Autotune-Gesang von Damon Albarn). Doch auch diese Momente sind vergleichsweise rar, stattdessen können wir Kozalla und seinen vielen Gastsänger*innen beim Träumen zuhören. In „What About Us“ singt Markus Acher eine Variation auf seinen The-Notwist-Song „Consequence“. House-Produzentin Sofia Kourtesis und Sängerin Ada sind in „Tu Dime Cuando“ zu hören, der die ganze Zeit auf einen Drop hinarbeitet – der aber niemals ertönt. Stattdessen schweben wir mit einem wohligen Gefühl von Antizipation.

Durch die Schallmauer schweben

Das ist ohnehin die beste Beschreibung für DJ Kozes Weltraum-Tourismus. ein Schweben durch die Schallmauer, angetrieben durch ein leichtes Kribbeln in den Zehenspitzen. Dort oben, in den höchsten Sphären dieses Albums, können wir Unglaubliches erhaschen. Singt Soap&Skin da den Italo-Disco-Klassiker „Vamos A La Playa“ im Hintergrund? Wird da in „Unbelievable“ gerade Dreampop-Gesang von Drill-Bässen zersägt (Kozallas Einordnung zum Song: „David Lynch meets Haftbefehl“)? Heißt dieses beeindruckend schöne Electronica-Stück wirklich „The Talented Mr. Tripley“? Hat der Kozalla gemeinsam mit Sophia Kennedy mit „Der Fall“ den schönsten Indie-Folk-Song des Jahres auf sein Album gesneakt? Die irdischen Gesetze von Albernheit und Kunst greifen auf „Music Can Hear Us“ nicht mehr. Stattdessen ist alles genau so, wie die Feature-Gäste The Düsseldorf Düsterboys und Arnim Teutoburg-Weiß in „Wie schön Du bist“ beschreiben: „Alles ok / Ich liege in Seide, voll angenehm / Wenn ich so schweb“.

Veröffentlichung: 4. April 2025
Label: Pampa Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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Diskussionen

1 Kommentare
  1. posted by
    Flixxilef
    Apr 8, 2025 Reply

    DJ Koze (Album der Woche) ein sphärischer Tipp! Ein schön schwebender Klangteppich für nächtliches oder frühmorgendliches Reisen durch Landschaften mit deutlichem Takt und Move.
    Gefällt mir sehr gut (erinnert mich gar nicht an Elon Murks Kolonialimperialismus, seine Steppen-Teslas und Weltraum-Tekkis, sondern ganz im Gegenteil): Das kommt sehr irdisch rüber!

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