Nubiyan Twist – „Freedom Fables“ (Strut Records)
Einer der beständigsten Hypes der vergangenen Jahre war der um die Londoner Jazzszene. Die hohe Taktung an Veröffentlichungen von neuen Standardwerken aus der britischen Hauptstadt war und ist immer noch schwindelerregend: Da wären die hochpolitischen Bläserattacken von Shabaka Hutchings unzähligen Projekten. Der selbstermächtigende und -erkundende Jazz von Nubya Garcia. Oder das hypnotische Rhythmusfeuerwerk von Moses Boyd. Wer jedoch glaubt, dass die Tages des Hypes gezählt sind, hat die Rechnung ohne Nubiyan Twist gemacht.
Die zehn Menschen starke Band hat einen nicht besonders neuen, aber in seiner Umsetzung sehr beeindruckenden Fokus: den Groove. Wie ihre New Yorker Kolleg*innen Antibalas benutzen sie Afrobeat und Highlife als Sprungbrett, um diverse Groove-basierte Genres zu erkunden. Genau wie das internationale Kollektiv Keleketla! legen sie einen Fokus auf Zusammenarbeit: Wie schon auf dem 2019er Album „Jungle Run“ haben sich Nubiyan Twist einige Mitmusiker*innen und Sänger*innen ins Studio geholt. Allen voran Sängerin Cherise, die auf drei der neun Tracks zu hören ist.
One Nation Under A Groove
Jedem seiner Gäste baut das Kollektiv auf „Freedom Fables“ ein unfassbar tightes Fundament. Das Album beginnt mit „Morning Light“, einem irgendwie seltsamen Stück Dub-Jazz. Nubiyan Twist lassen ihrer Gastsängerin Ria Moran darauf extrem viel Raum und entfachen gleichzeitig einen polyrhythmischen Sog. Ihre Bläserfanfaren sind on point, die Rhythmusgruppe tanzt in Zeitlupe. Mit dem darauf folgenden Song zieht die Band das Tempo an – ohne die Tightness zu verlieren. In der Afrobeat-Party „Tittle Tattle“ attackiert ein synthetischer Sub-Bass das Zwerchfell. In „Ma Wonka“ bitten Nubiyan Twist den ghanaischen Highlife-Meister Pat Thomas zum Tanz.
Nubiyan Twist haben auch HipHop im Repertoire: In „Buckle Up“ gastiert Rapper und Saxofonist Soweto Kinch über einen Beat, der auch aus dem Hause Brainfeeder stammen könnte. Genre-Grenzen sind im UK-Jazz schon lange mehr grobe Richtlinien als Regeln. Niemand demonstriert das gerade so eindrucksvoll wie Nubiyan Twist. Auf diesem Album ist alles erlaubt. Hauptsache, es groovt.
Veröffentlichung: 12. März 2021
Label: Strut Records