De La Soul – „3 Feet High And Rising“: Ein Sampling-Meisterwerk dekonstruiert

Cover von De La Soul – „3 Feet High And Rising“

De La Soul – „3 Feet High And Rising“ (1989)“

Verspielt, kindisch und spaßig – so beschrieb Kevin Mercer, besser bekannt unter dem Alias Posdnuos, den Entstehungsprozess von „3 Feet High And Rising“, der ersten LP seiner Crew De La Soul. Hört man ihn über dieses Album reden, kriegt man den Eindruck eines zufälligen Meisterwerks: „Mir hatten an keinem Moment auch nur die geringste Ahnung, dass wir hier etwas revolutionäres schufen“, erzählte Posdnuos einst dem Guardian. Er, seine MC-Mitstreiter Trugoy und Maseo sowie ihr Stamm-Produzent Prince Paul, verwendeten aus verschiedensten Genres herausgewühlte Samples wie Lego-Steine – und schufen mit spielerischer Leichtigkeit einen absoluten Klassiker.

Während ihre zeitgenösisschen Rap-Kollegen wie Public Enemy oder NWA das harte Leben auf der Straße besangen oder gegen das Establishment wüteten, strebten De La Soul nach Frieden und Harmonie. Sie galten als die Hippies des HipHops – nicht nur wegen ihrer Peace-Botschaft, sondern auch wegen ihrer bunten, psychedelischen Musik. Auf „3 Feet High And Rising“ trafen Jazz-Rock-Gitarren auf Psych-Pop-Texturen, smoothe Funk-Beats auf Soft-Rock-Samples. Mit diesem Album konnte man keinen Klassenkampf gewinnen. Stattdessen ebnete es den Weg für die Native-Tongues-Bewegung, den butterweichen Jazz-Rap, der im Verlauf der 90er-Jahre an der East-Coast den musikalischen Horizont des HipHop erweiterte.

„3 Feet High And Rising“ wird am 3. März 2019 30 Jahre alt. Wir haben das Jubiläum zum Anlass genommen, drei der 24 Tracks in ihre virtuos verwobenen Sampling-Einzelteile zu zerlegen.

„Eye Know“

„3 Feet High And Rising“ entstand laut Posdnuos nur mit einem Casio RZ-1 Drum-Computer und einem Eventide Harmonizer – ein Gerät, das verschiedene Tracks übereinander schichten und loopen konnte, auch wenn diese nicht das gleiche Tempo hatten. De La Soul spielten diese kreative Freiheit komplett aus, wie „Eye Know“ demonstriert: Der Song beginnt mit einem Gitarren-Lick von der obskuren Stax-R&B-Band The Mad Lads, zu dem sich wenige Sekunden später der staubtrockene Beat von Lee Dorseys „Get Out Of My Life, Woman“ dazugesellt. Diese Zutaten allein würden für einen geschmackvollen HipHop-Track eigentlich ausreichen, doch De La Soul haben noch gar nicht angefangen. Nach ein paar Sekunden verdichtet der Wah-Wah-Groove aus Steely Dans Jazz-Rock-Opus „Peg“ das ohnehin schon eng gestrickte Klangbild – und ab Sekunde 26 setzt Otis Reddings ikonisches Pfeifen aus „Sitting In The Dock Of The Bay“ dem Wahnsinn die Krone auf.

„Me, Myself And I“

Während „Eye Know“ ein gutes Beispiel für ein dichtes Netz aus Samples ist, ist der Hit „Me, Myself And I“ ein ganz anderes Monster. Der Song basiert auf den tighten P-Funk-Grooves die Funkadelic 1979 in „(Not Just) Knee Deep“ erklingen ließen. De La Soul geben den Sample viel Raum und lassen es nahezu ungestört den ganzen Track durchlaufen. Angemessen, da George Clintons quietschbunter Weirdo-Funk perfekt zur De-La-Soul-Ästhetik passt. Die schrill tänzelnden Synthesizer bilden einen wunderbaren Kontrapunkt zu den selbstironischen Zeilen, die Posdnuos hier ausbreitet: „Mirror mirror on the wall / Shovel chestnuts in my path / Please keep on up with the nuts / So I don’t get in aftermath.“

„Ghetto Thang“

James Brown und Kraftwerk sind zwei Acts, die weder ästhetisch noch musikalisch viel miteinander zu tun haben. Auf der einen Seite der flamboyante „Godfather Of Soul“, der überlebensgroße Hype-Man. Auf der anderen Seite vier unterkühlte, deutsche Herren in grauen Anzügen, die die Grenze zwischen Mensch und Maschine stetig weiter verschwimmen ließen. Was beide Acts vereint: Samples ihrer Musik waren für die Entwicklung des HipHops essentiell. Die energetischen Schlagzeugbreaks von ersterem und die maschinellen, stoischen Beats von letzteren bildeten für unzählige Tracks das Rückgrat.

In „Ghetto Thang“ grooven sie gemeinsam. De La Soul sampeln sowohl ein Drum-Fill aus Browns „Funky President (People It‘s Bad)“ als auch das rhythmische Stottern, das Kraftwerks „Trans Europe Express“ eröffnet (dessen Synthesizer-Riff auch schon Afrika Bambaataas HipHop-Klassiker „Planet Rock“ anfeuerte). Das ist einer der Aspekte, der „3 Feet High And Rising“ zu solch einem großartigen Album macht: De La Soul vermischten nicht nur seltsame Psychedelic-Sounds in ihren Sampling-Cocktail, sondern zollten auch den musikalischen Wurzeln ihres Genres (und ihren Vorbildern darüber hinaus) Tribut.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Fritz
    Mrz 3, 2019 Reply

    Irgendwo auf dieser Platte sampled sich De La Soul auch selbst-

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