Huerco S. – „For Those Of You Who Have Never (And Also Those Who Have)“ (Rezension)

Von Stephan Szillus, 20. Juni 2016

Cover des Albums For Those Of You Who Have Never (And Also Those Who Have) von Huerco S.Huerco S. – „For Those Of You Who Have Never (And Also Those Who Have)“ (Proibito)

7,7

Huerco S. heißt eigentlich Brian Leeds, wuchs in Kansas auf und veröffentlichte vor drei Jahren als 21-Jähriger sein Debütalbum mit dem Titel „Colonial Patterns“, eine Platte mit starken Einflüssen aus House und (Dub-)Techno, die man aufgrund ihrer Tiefe und Finesse in den 1990er-Jahren vermutlich als „IDM“, also Intelligent Dance Music, bezeichnet hätte. Sein neues, zweites Album lässt Drums und Percussion nun vollständig weg und besteht aus neun Stücken, die man im weitesten Sinne als Ambient-Musik bezeichnen würde, denn sie stehen in einer musikalischen Tradition von Brian Eno bis William Basinski, die in den letzten Jahren wieder groß in Mode gekommen ist.

„A Sea Of Love“ heißt der erste Song, und der Titel ist programmatisch zu verstehen: „For Those Of You Who Have Never (And Also Those Who Have)“ widmet sich der Schönheit loopbasierter Sequenzen, kleiner harmonischer Miniaturen, die nirgendwo herzukommen und nirgendwo hinzuführen scheinen. Zur belanglosen Yoga-Kulisse verkommen sie dennoch nie, sondern im Gegenteil: Das Album zieht die HörerInnen zielstrebig in einen Strudel aus Sounds, in dem man sich verlieren kann. Die Kompositionen von Huerco S. wirken, als wären sie von Zeit und Raum unabhängige Klangfiguren, von denen wir, weil wir in diesen beschränkten Dimensionen denken und wahrnehmen, lediglich Ausschnitte zu hören bekommen. Dazu passt es dann auch, dass viele der Stücke sehr abrupt enden.

Bislang produzierte Huerco S. eine Dance Music, die sich nicht aus dem tatsächlichen Cluberlebnis speiste, sondern sich – ähnlich wie Burial – mehr an einer vagen Vorstellung davon orientierte. In Kansas und Missouri, wo er bis vor drei Jahren lebte, gab es schließlich keine echte Clubkultur. Heute lebt er in New York, wo es Clubkultur gibt (wenn auch primär in der kollektiven Erinnerung), aber produziert Dance Music, die mit dem Club als real existierendem Ort nichts mehr zu tun hat. Dies ist Musik, die sich selbst genügt und die keinen funktionalen Raum braucht. Verdammt gute, interessante Musik.

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