Neue Platten: David Lynch – "The Big Dream"

Von Luise Vörkel, 14. Juli 2013

David Lynch - The Big Dream (Sunday Best)David Lynch – „The Big Dream (Sunday Best)

6,0

David Lynch, bekannt als Mastermind hinter der düsteren Überserie „Twin Peaks“ und als Regisseur von Filmen wie „Blue Velvet“ und „Mulholland Drive“, scheint in allen Ecken der Kunst heimisch zu sein. Nach der Schule nahm er ein Studium der Malerei auf, das ihn zum Film brachte. Dieser führte ihn wiederum zur Musik. Mit Angelo Badalamenti, der für den Twin-Peaks-Soundtrack zuständig war, machte David Lynch erste Erfahrungen im Studio, wurde bald als Produzent aktiv, baute sich schließlich selbst ein Studio und veröffentlichte mit 65 Jahren sein erstes Album „Crazy Clown Time“. Zwei Jahre sind seitdem vergangen, nun ist der Nachfolger „The Big Dream“ erschienen.

Die Filme von David Lynch kann man aufgrund ihrer mysteriösen und surrealistischen Elemente durchaus als Herausforderungen betrachten. Gilt das Gleiche für Lynchs Musik? Kryptisch ist sein zweites Album nicht geraten. Die Texte kommen, so scheint es, ohne doppelte Ebene daher. Sie geben in einfachen Worten bekannte Themen wie das qualvolle Doppel von Leidenschaft und Herzschmerz wieder. So singt Lynch in „Cold Wind Blowin’“ in aller Pragmatik durch den Vocoder: „Got a cold wind blowing / through my heart / the game is over / you win / I lose“.

Sehnsucht versprüht der vorab als Single veröffentlichte Bonus-Track „I’m Waiting Here“, der von der hellen, teils wackeligen Stimme Lykke Lis getragen wird. Eine Ballade, die den spröden Charme von 60s-Chansonnetten wie Dusty Springfield mit dem modernen Schockeffekt vereint, der entsteht, wenn man plötzlich meint, die Melodie von Enyas „Only Time“ durchschimmern zu hören.

Auch abseits davon bietet „The Big Dream“ Anlass zum Unwohlsein. Das Album wird von einer schleppenden Ästhetik bestimmt. Die Stimme von David Lynch gibt es nur verfremdet zu hören. Vor und hinter dieser wabern Geräusche – mal einer E-Gitarre, mal einer schwer zu ergründenden Quelle entlockt. Spärliche Percussion oder Computerbeats geben dem Ganzen ein paar Orientierungspunkte. Unheimlich klingt zum Beispiel auch das aus Bob Dylans Feder stammende Stück „The Ballad Of Hollis Brown“, ein Cover eines Covers. David Lynch orientierte sich hierfür an der Version von Nina Simone, die direkter und rauer als die Originalaufnahme klingt.

„Star Dream Girl“ und „Sun Can’t Be Seen No More“ huldigen wiederum dem frühen Rock ’n’ Roll. David Lynch lässt Gitarren aufheulen und wirbelt damit ordentlich Staub auf. Er bezeichnet den Stil, der „The Big Dream“ bestimmt, denn auch als „Modern Blues“. Wenngleich hier eine Vielzahl von Stilen aufeinandertreffen, es mal spacig, mal dubbig und dann wieder balladesk zugeht, kann man diese Selbsteinschätzung so stehen lassen. Der Kern des Blues ist schließlich nicht das richtige Taktschema, sondern die Erfahrung von Ärger und Leid. Und die hat David Lynch äußerst anschaulich und teilweise schmerzvoll vertont.

Label: Sunday Best | Kaufen

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