Was ist Musik Freunde und Freundinnen

Um die Frage, was passiert, wenn Erwachsene mit erwachsenem Ernst Kinderlieder interpretieren, kreist das Album „Nursery Rhymes“ von Bill Wells & Friends. Kein Novelty-Gag, eher ein Besuch bei den Abgründen der kindlichen Seele. „Das Kind quält Tiere und wird später mal Serienkiller“, sagt Bridget St. John über den Protagonisten des von ihr gesungenen „Ding Dong Bell“.

Nursery Rhymes wie „Humpty Dumpty“ oder „Twinkle Twinkle Little Star“ sollen Kinder mit dem Ernst des Lebens konfrontieren, aber die bitteren Pillen mit dem Zuckerguss einer catchy little melody versehen, erklärt Wells. Hier werden die catchy little melodies an entlegene Orte geführt, auch Coltrane nahm sich gerne Standards vor. Dass das so hinreißend funktioniert, liegt vor allem Wells' Freundinnen. Karen Mantler, Annette Peacock oder Syd Straw singen so, als sollten sich die Kinder in Acht nehmen vor den Frauen, denen man sie anvertraut hat.

Freunde und Freundinnen spielen auch auf „Dis Cover Donna Regina As Recorded By“ eine tragende Rolle. Quasi in Abwesenheit gewinnt das Kölner Band-Ehepaar Regina und Günther Janssen in den Adaptionen ihrer Musik durch andere plötzlich ein Profil, das hinter dem immer eine Spur zu selbstgenügsam ins Pastiche-hafte kippenden ruhigen Fluss ihrer 12 Alben in 25 Jahren nicht zu vermuten war. Als späte Geburtshelfer von Donna Regina, oder, mit dem Albumtitel, als Ent-Decker fungieren so unterschiedliche Leute wie Chica and The Folder, Dani Siciliano oder Mouse on Mars. Und, zum Spiegeln, zwei Paare: Thomas Fehlman & Gudrun Gut, noch länger dabei, schärferes Profil seit je, covern „Holding the mirror for Sophia Loren“ spiegelverkehrt: Fehlmann singt, Guts Trademark-Leanderismen bleiben im Hintergrund. Dean and Britta, Amerikas Antwort auf Günther und Regina, treffen mit „Driving in your car“ derart präzise die Schnittmenge aus „Pale blue eyes“ und „Autobahn“, das man sich fast schämt, das gutzufinden.

Leichtmetall, „two women from Bavaria“ tun mit Tuba und Glockenspiel das, was Donna Regina nie gewagt haben (oder doch?): sie singen auf deutsch von der Farbe der Liebe und es gelingt, weil sie der deutschen Sprache so wenig über den Weg trauen wie die frühen FSK oder Ja, König Ja. Bill Wells (Schottischer Labelmate, siehe oben) übernimmt die Original-Gesangsspur und macht Regina Janssen zur Sängerin des National Jazz Trio Of Scotland, in dem ihr eigenen Spätseptemberton singt sie „End of September“.

Das Album ist im September erschienen und klingt – absurd, bei der Besetzungsliste – wie das Donna Regina-Album, das Donna Regina schon immer machen wollten, das zu versuchen sie aber anmaßend gefunden hätten.