Sendungen

Was ist Musik Blubberlutsch, Begrüßungsgeld, Avatare ... Mit Diedrich Diederichsen über das 21. Jahrhundert reden

ByteFM: Was ist Musik vom 20.05.2024

Ausgabe vom 20.05.2024: Blubberlutsch, Begrüßungsgeld, Avatare ... Mit Diedrich Diederichsen über das 21. Jahrhundert reden

Gut am Diedrich Diederichsen-Denken ist, „dass er nicht in einer Antithese dachte, sondern in einem Komplex von Antithesen, der sich nicht nur gegen das vorgefundene Alte richtete, sondern auch gegen die Installation einer neuen Orthodoxie“. Schreibt DD. „Schreibst du da über dich selbst?“, frage ich ihn eines nachmittags im Frühling in Frankfurt, abends hält er einen Vortrag zur Ausstellung von Cosima von Bonin in der Schirn. „Das wäre ein bisschen zu viel der Ehre. Ich kann mich freuen an einer Persönlichkeit, die so funktioniert“, antwortet DD. Die Persönlichkeit ist Mike Kelley, der Satz steht in einem Nachruf auf den US-Künstler. Kelley wird gerade im Düsseldorfer Museum K21 gewürdigt, DDs Text stammt aus dem Jahr 2015 und klingt wie gerade eben jetzt geschrieben zu einer gerade eben jetzt akuten Lage, etwa den nach dem 7. Oktober notorisch unterkomplexen These-Antithese-Schlagabtausch im Zeichen der Vereindeutigungzwänge, der selten über die Installation einer neuen Orthodoxie hinauskommt – oder über die Affirmation alter Orthodoxien. Dabei würde es schon helfen, sich an das dialektische Verhältnis zwischen Universalismus und Partikularität zu erinnern, wobei das Partikulare in den gegenwärtigen Konflikten gerne in Gestalt eines anderen P-Wortes daherkommt. Wenn dieser Tage das Wort postkolonial fällt, wenn die Rede davon ist, dieses oder jenes zu dekolonisieren, dann laufen die Reflexe Amok. Je weniger Ahnung, desto mehr Stimmung liegt in der Luft, wenn's um postcolonial geht, auf beiden Seiten. Bei Hatern, die anything postcolonial  für per se antisemitisch halten, bei Fans, die zu Hatern werden und Israel auslöschen wollen, from the river to the sea.

Darüber und über einiges andere reden wir in Was ist Musik.

Das Buch: Das 21. Jahrhundert, 173 Essays, 1136 Seiten. 58,00 Euro.

Viele Texte sind zuerst in Tageszeitungen erschienen, regelmäßig in der taz, hin und wieder in FAS und SZ, sporadisch in der FR. Häufiger publiziert DD an abgelegeneren Orten, wo die Angst der Redaktionen vor zu langen Sätzen, zu steilen Thesen, zu abwegigen Themen oder zu viel Namedropping strukturell weniger ausgeprägt ist: Cargo, Merkur, Spex, Texte zur Kunst, Theater heute … dazu Vorträge, Kataloge usw.

Starring: Teardrop Explodes, Angelique Kidjo, Walter Elf, Mingus & Dolphy, Sisso & Maiko, Antony & The Johnsons, Suicide, Sepultura, Miley Cyrus, Junior Murvin, Jefferson Airplane ...

Kommentare

klauswalter vor 11 Monaten
hallo sebastian, 1000 dank für die blumen und die erläuterung des begrüßungsgelds, wird gleich demnächst verarbeitet in einer weiteren sendung unter dem motto i wish i could sprechen sie deutsch...best, klaus

senest vor 11 Monaten
Lieber Klaus, tolle Sendung, danke! Das zweistündige Format wird dem Inhalt gerechter als die knappe Stunde Ex & Pop, die aber auch sehr gelungen ist. Zum Thema Begrüßungsgeld: Laut Wikipedia – und das deckt sich auch mit dem, wie mir dieser Begriff bislang geläufig war – handelt es sich dabei um »eine Unterstützung, die in der Bundesrepublik Deutschland jedem einreisenden Bürger der Deutschen Demokratischen Republik sowie der damaligen Volksrepublik Polen, soweit eine deutsche Abstammung nachgewiesen werden konnte, aus Mitteln des Bundeshaushaltes gewährt wurde.« Bereits im Jahr 1970 eingeführt erlangte es besondere »politische und wirtschaftliche Bedeutung […] infolge der Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989«, worauf sich das gleichnamige Stück von Gabi Delgado-López (2015) bezieht. Insofern ist der Track nicht wirklich »Gastarbeitermusik« und bezieht sich auch weniger auf die Art von Migration, die im Gespräch gemeint war. Allerdings klingt dafür der Klassenaspekt an, was das Thema gut ergänzt. Beste Grüße Sebastian
Eingeloggte "Freunde von ByteFM" können Kommentare hinterlassen.

Kommentare

klauswalter vor 11 Monaten
hallo sebastian, 1000 dank für die blumen und die erläuterung des begrüßungsgelds, wird gleich demnächst verarbeitet in einer weiteren sendung unter dem motto i wish i could sprechen sie deutsch...best, klaus

senest vor 11 Monaten
Lieber Klaus, tolle Sendung, danke! Das zweistündige Format wird dem Inhalt gerechter als die knappe Stunde Ex & Pop, die aber auch sehr gelungen ist. Zum Thema Begrüßungsgeld: Laut Wikipedia – und das deckt sich auch mit dem, wie mir dieser Begriff bislang geläufig war – handelt es sich dabei um »eine Unterstützung, die in der Bundesrepublik Deutschland jedem einreisenden Bürger der Deutschen Demokratischen Republik sowie der damaligen Volksrepublik Polen, soweit eine deutsche Abstammung nachgewiesen werden konnte, aus Mitteln des Bundeshaushaltes gewährt wurde.« Bereits im Jahr 1970 eingeführt erlangte es besondere »politische und wirtschaftliche Bedeutung […] infolge der Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989«, worauf sich das gleichnamige Stück von Gabi Delgado-López (2015) bezieht. Insofern ist der Track nicht wirklich »Gastarbeitermusik« und bezieht sich auch weniger auf die Art von Migration, die im Gespräch gemeint war. Allerdings klingt dafür der Klassenaspekt an, was das Thema gut ergänzt. Beste Grüße Sebastian
Eingeloggte "Freunde von ByteFM" können Kommentare hinterlassen.

Playlist

1.  Sisso & Maiko / Kivinje
Singeli Ya Maajabu / Nyege Nyege Tapes
2.  Teardrop Explodes / When I Dream
When I Dream / Fiction
3.  The Velvet Underground / Venus In Furs
The Velvet Underground / Polydor
4.  Suicide / Dream Baby Dream
Dream Baby Dream / Island
5.  The Fall / I Am Kurious Orange
I Am Kurious Orange / Beggars Banquet
6.  Walter Elf / Provinz
Heut Oder Nie / We Bite, Nummer
7.  Saalschutz / Diedrich Diederichsen
Das Ist Nicht Mein Problem / ZickZack
8.  Angelique Kidjo / Once In A Lifetime
Remain In Light / Kravenworks
9.  Miley Cyrus / Psycho Killer
Everyone’s Getting Involved A Tribute To Talking Haeds’ Making Sense / A24 Music
10.  The Kinks / I'm Not Like Everybody Else
The Kinks – Remastered / Castle Communications
11.  Flamin´ Groovies / Absolutely Sweet Marie
Flamin´ Groovies / CBS
12.  Antony & The Johnsons / For Today I Am A Boy
I am A Bird Now / Secretly Canadian
13.  Junior Murvin / Police And Thieves
Police And Thieves / Island
14.  Jefferson Airplane / Eskimo Blue Day
Volunteers / RCA
15.  Sepultura / Guardians Of Earth
Guardians Of Earth / Warner
16.  Curtis Mayfield / We The People Are Darker Than Blue
Curtis / Curtom
17.  Gabi Delgado-Lopez / Begrüßungseld
2 / Mute
18.  Charles Mingus ft. Eric Dolphy / Meditations For Integration
Live In Paris / Impulse