Sam Burton – „Dear Departed“ (Partisan Records)
Es ist ein Klischee, noch viel älter als die Pop-Kultur selbst: Wenn Du ganz neu anfangen willst, und Dich dabei selbst finden möchtest, dann geh nach Kalifornien. Dem US-Staat liegt schon lange ein beinahe religiöses Versprechen von Wiedergeburt inne. Ob durch eine Pilgerfahrt über den Mulholland Drive oder beim Reinwaschen im läuternden Salzwasser des Pazifik.
Schon Neil Youngs „Out On The Weekend“ beginnt mit einer kalifornischen Vision: „Think I’ll pack it in and buy a pick-up / Take it down to L.A. / Find a place to call my own and try to fix up / Start a brand new day.“ Der amerikanische Traum ist nirgendwo so lebendig wie in Hollywood, natürlich auch in Los Angeles gelegen. Und auch der selbstbewusste Hochstapler Don Draper, die Hauptfigur der Serie „Mad Men“ und Verkörperung der Lüge des American Dream, muss von New York an die Westküste fliehen, um aufzuhören, sich vor sich selbst zu verstecken.
Was vor ein paar Dekaden noch romantisch, gar spirituell gewirkt haben mag, hat sich allerspätestens in den vergangenen Jahren als überteuerte, touristisierte, im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannte Illusion des Spät-Kapitalismus enthüllt. Doch der Traum von Kalifornien lebt. Und zwar in der Musik von Sam Burton.
California Dreaming …
„Dear Departed“, das zweite Album des US-Singer-Songwriters, ist selbst aus solch einem versprochenen Neuanfang entstanden. Nach der 2020 veröffentlichten Debüt-LP „I Can Go With You“ kehrte der damals in L.A. lebende Burton wieder in seine Heimat Utah zurück. Doch nach einigen Monaten zog es ihn zurück nach Kalifornien. Hier verbrachte er seine Tage erst mit solitärer Feldarbeit auf der Familienfarm, dann auf Sofas von Freund*innen und schließlich wieder in einem eigenen Apartment. Der Kreis hatte sich geschlossen. Und in der Umdrehung waren zehn neue Songs entstanden.
„I Can Go With You“ war bereits eine Verneigung vor allerlei Acts, die mit der Westküste in Verbindung standen: Joni Mitchell, James Taylor oder Neil Young. Diesen golden glänzenden Folk-Rock konnte Burton für „Dear Departed“ noch funkelnder ausarbeiten, mit der Unterstützung von Jonathan Wilson, Produzent von anderen Americana-Nostalgiker*innen wie Angel Olsen, Margo Price und Father John Misty. Der Sound ist weniger Hommage und mehr akribischer Nachbau. Delikat gezupfte Gitarren und geschmackvolle Streicher hallen angejazzt durch den Laurel Canyon. In „I Don‘t Blame You“ gibt es sogar eine Phil-Spector-eske Wall of Sound, komplett mit wie von Hal Blaine persönlich bedient klingendem Donnerschlag.
Und in der Mitte von allem schwebt Burtons Stimme. Ein seelenruhiger Bariton, der zehn Oden an die kalifornische Natur und Kultur – und natürlich den California Spirit – singt. „I‘m making my way down / And I wake up as a stranger in the light“, croont er im Abschluss „A Place To Stay“. Da ist sie, die Wiederauferstehung. Schließlich ist der dem Album seinen Titel gebende Verstorbene bzw. Verschiedene („Departed“) kein anderer Mensch. Sondern die Version von sich selbst, die Burton während seiner Reise zurückließ.
Veröffentlichung: 14. Juli 2023
Label: Partisan Records