The Flaming Lips – „American Head“ (Bella Union)
The Flaming Lips sind ein Phänomen: Eine Band, die nur aufgrund eines einzigen Indie-Hits in den 90er-Jahren genug Wohlwollen gewann, um auf Major-Label-Niveau, mit Major-Label-Geld im Rücken, ihr seltsames Spiel zu treiben. Die Alben produzieren lässt, die sich ausschließlich auf vier Plattenspielern gleichzeitig anhören lassen. Die die lange Zeit zwischen Studio-LPs mit absurden PR-Stunts füllt: Ein Album in Form eines Gummibär-Schädels. Ein 23 Songs langes, nur schwer hörbares Avant-Pop-Album mit Miley Cyrus. Ein 24 Stunden dauernder Track, gepresst in einen tatsächlichen menschlichen Schädel. Das hier ist die wahrscheinlich letzte Band, die mit so schamloser Weirdness noch Geld verdienen kann.
Doch warum kann sie das? Weil die Truppe aus Oklahoma um Sänger Wayne Coyne alle Jubeljahre ein extrem gutes Psych-Pop-Album heraushaut, das all die verkopft-verballerten Experimente wieder wett macht. Man denke an die schwurbeligen Art-Rock-Wunderwerke „Transmissions From The Satellite Heart“ und „Clouds Taste Metallic“. An den Miles Davis und Black Sabbath fusionierenden Höllentrip „Embryonic”. An die Barock- und Synth-Pop-Meilensteine „The Soft Bulletin“ und „Yoshimi Battles The Pink Robots“, die zur Jahrtausendwende mit ihrer ergreifenden Naivität die Indie-Welt auf den Kopf stellte.
We Are An American Band
„American Head“, ihr nun erscheinendes neuestes Studioalbum, schlägt genau in diese Kerbe. The Flaming Lips fühlten sich nach eigener Aussage trotz ihrer nunmehr über 35 Jahre andauernden Karriere nie als eine „US-amerikanische Band“. Das soll sich nun, daher der Titel, ändern. Doch „American Head“ ist keine naheliegende Abrechnung mit dem politischen Status quo der USA. Stattdessen atmen diese 13 Songs den popmusikalischen Geist Nordamerikas: Die fluffigen Harmonien von The Beach Boys. Die ausufernde Musikalität von The Grateful Dead. Die pathosgeladenen Loser-Storys von Tom Petty oder Bruce Springsteen.
Doch ein The-Flaming-Lips-Album wäre kein The-Flaming-Lips-Album, wenn Coyne und Konsorten nicht eine außerordentliche Prise Weirdness beisteuern würden. Der Opener „Will You Return, When You Come Down“ ist psychedelisch verklärte Americana, mit Akustikgitarren, die wie Cumulus-Wolken durch den in seltsamen Farben strahlenden Himmel ziehen. „Dinosaurs On The Mountain“ klingt, als hätten besagte The Grateful Dead ein Kinderlied arrangiert. Das albern betitelte „You N‘ Me Sellin‘ Weed“ wirkt wie unter Wasser aufgenommener Barock-Pop. In „God And The Policeman” lässt die Band Country-Star Kasey Musgraves ein so dermaßen verwaschenes Duett singen, dass man denkt, die Wände lösen sich auf. Es ist mal wieder ein Album, dass nur The Flaming Lips hätten machen können.
Veröffentlichung: 11. September 2020
Label: Bella Union