Andreas Spechtl – „Thinking About Tomorrow…“ (Rezension)

Cover des Albums Andreas Spechtl – „Thinking About Tomorrow, And How To Build It“ (Bureau B)

7,2

Fernab von all ihren verkopften Manifesten und ihren abstrakten Akronymen (wie „DMD KIU LIDT“) waren Ja, Panik vor alledem eins: Eine der letzten wütenden Rockbands des deutschsprachigen Raums – und dabei verlässlich sehr gut. Seit ihrem letzten Album, der überraschend zarten Utopie „Libertatia“, wandelt Frontmann Andreas Spechtl jedoch auf abschweifenden Solo-Pfaden: Sein erstes Werk „Sleep“ gestaltete sich als introspektive Zeitlupen-Dub-Platte, auf der Spechtl den eigenen Geist im Schlafwandel erkundete. Auf „Thinking About Tomorrow, And How To Build It“ richtet der österreichische Diskurs-Pop-Globetrotter den zusammengekniffenen Blick wieder nach vorne – und zwar mit elektronischer Zukunftsmusik.

Eine der größten Unterschiede zwischen Spechtl als Bandleader und Spechtl als Solo-Künstler ist der Einsatz seiner Stimme: Während sie sich bei Ja, Panik regelmäßig hysterisch überschlug, tritt sie auf „Thinking About Tomorrow …“ verschleiert in den Hintergrund. Auf dem ersten Song „Future Memories“ ist sie purer Nebendarsteller, während flirrende Synthesizer und polyrhythmische Perkussionssamples im Vordergrund oszillieren. „The greater the distance the clearer the view“ singt er darüber und klingt selber als wäre er in weiter Ferne.

Spechtl hat das komplette Album in Teheran aufgenommen. Der musikalische Einfluss der iranischen Hauptstadt hat spürbar auf seine Songs abgefärbt: Samples von persischen Saiten- und Blasinstrumenten ziehen sie wie ein roter Faden durch „Thinking About Tomorrow …“, ob in den beiden atmosphärischen Interludes „(Of Sound Mind)“ und „(Loops Of Wisdom)“ oder in der Brian-Eno-Etüde „Tmrrw“.

Am besten funktioniert diese Mischung aus Club-Musik und Ambient-Avantgarde in der Vorabsingle „Age Of Ghost“: Eine fiese, verzerrte Bassline erinnert an die Bedrohlichkeit der besten Platten von Ja, Panik, während persische Holzbläser einen melancholischen Kontrapunkt zum aggressiven Gerüst darbieten. Anderswo verliert sich Spechtl leider in sphärischer Belanglosigkeit: Das Stück „Things“ ist ähnlich unspektakulär, wie sein Name verspricht. In „Africa Blvd“ versucht er über fünf zähe Minuten ohne Erfolg, eine dröge House-Bassline mit chaotischem Ambient zu verknüpfen. Und das bereits erwähnte „Tmrrw“ klingt mit seinen faden Vocoder-Harmonien nahezu altersmüde.

Glücklicherweise gelingt es ihm, mit dem strahlenden „Hidden Homes“ das Album pointiert abzuschließen – mit warmen Streichersamples, ätherischen Noise-Wänden und den schönen Abschlussworten „underneath becomes the surface“. Spechtls Zukunftsmusik ist zwar nicht wirklich zukunftsweisend und manchmal redundant, aber dafür in den besten Momenten schlichtweg sehr schöne Gegenwartsmusik.

Veröffentlichung: 10. November 2017
Label: Bureau B

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