Deerhoof – „Mountain Moves“ (Joyful Noise)
7,0
Es gibt da diese Szene in Miloš Formans epischem Mozart-Drama „Amadeus“ aus dem Jahr 1984: Der junge, kindliche Komponist spielt dem etwas dümmlichen Kaiser von Österreich seine neue Schöpfung vor – „Die Hochzeit des Figaro“. Der von der Musik deutlich überforderte Joseph II. erwidert: „Zu viele Noten!“ Dieses in der Situation wenig konstruktive Feedback beschreibt eher öfter als seltener den Synapsen sprengenden Art-Rock von Deerhoof. Sie waren schon immer eine Band, die ohne Filter jede mögliche Idee in einen zweiminütigen Song quetschen konnte – egal, ob urplötzliche Takt- oder Genrewechsel, virtuose Instrumental-Workouts oder brachiale Noise-Exkursionen. Das US-amerikanische Quartett zeigt sich zwar auf seinem 14. Langspieler „Mountain Moves“ so fokussiert wie noch nie zuvor, ist aber gleichzeitig auf Album-Länge immer noch so fordernd wie eh und je.
Dieser neugewonnene Fokus offenbart sich am meisten bei den zahlreichen Gastauftritten: So leiht zum Beispiel die argentinische Folktronica-Künstlerin Juana Molina dem Eröffnungsstück „Slow Motion Destination“ ihre Stimme. Der Song ist für die hektischen Deerhoof-Verhältnisse nahezu Doom, hat sogar so etwas wie einen Refrain und eine Strophe. Molinas tiefe Alt-Stimme ergänzt wunderbar das verspielte Organ von Sängerin Satomi Matsuzaki, gemeinsam schweben sie in Harmonie über dem bedrohlichen Groove von Gitarre und Schlagzeug.
An anderer Stelle haben Deerhoof mit „I Will Spite Survive“ einen waschechten Pop-Hit um Wye-Oak-Sängerin Jenn Wasner gebastelt. „Come Down Here And Say That“ ist ein zwischen sommerlichem Funk-Rock und Dream-Pop pendelnder Hybrid-Song, untermalt von der ätherischen Stimme von Stereolab-Frontfrau Lætitia Sadier. Saxophonistin Matana Roberts verwandelt mit ihren Bläser-Salven den Titelsong „Mountain Moves“ in eine irre Jazz-Fusion-Party. Und „Your Dystopic Creation Doesn‘t Fear You“ demonstriert Deerhoofs Genre-Wechsel-Mania auf beste Art und Weise: Weezer-esker Indie-Rock wird mit einem Gastauftritt von Rapperin Awkwafina zu hysterischem HipHop, der dann zu zartem Indie-Pop transformiert wird, um anschließend von Hardrock-Gitarrenriffs zerhackt zu werden.
Als einzelne Stücke funktionieren diese Hybrid-Meisterwerke ganz vortrefflich. Über die gesamten 15 Songs treten Deerhoof leider jedoch zu oft über die Grenzen des guten Geschmacks. Ob beim hysterisches Dub-Rock von „Con Sordino“, dem kitschigen Nonsens von „Singalong Junk“ oder der noch kitschigeren Pseudo-Arie „Gracias A La Vida“: Deerhoof verstehen es, zu überraschen. Im schlimmsten Fall klingen sie dabei nach dem unerträglich optimistischen Jam-Rock von Phish, wie im hektischen Fusion-Rock von „Ay That‘s Me“. Die vielen wirklich starken Songs halten „Mountain Moves“ nicht davon ab, auf Dauer zu frustrieren.
Aber ein gewisses Maß an Frustration gehört nun mal bei Deerhoof dazu. Man muss in der Lage sein, die zu vielen Noten über sich ergehen zu lassen – erst dann kann man ihren hypnotischen Art-Rock richtig genießen.
Veröffentlichung: 8. September 2017
Label: Joyful Noise Recordings