L.A. Salami – „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ (Rezension)

Cover des Albums „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ von L.A. Salami

L.A. Salami – „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ (Sunday Best)

8,4

Lookman Adekunle Salami vermisst das Chaos. Ein seltsames Statement, in dieser wirklich komplett chaotischen Zeit. Doch der Londoner Künstler, der seit 2012 unter dem Decknamen L.A. Salami Songs veröffentlicht, redet nicht über die Welt an sich, sondern über die aktuelle Musik. Moderne Produktionen überzeugen zwar durch Besonnenheit, Sauberkeit und Vielfältigkeit. Doch L.A. Salami fehlt das kreative Durcheinander von Musiker*innen wie The Velvet Underground oder Captain Beefheart, von Wu-Tang Clan oder Public Enemy. Aber vielleicht spricht Salami ja doch, indirekt, über die Welt. Eine chaotische Zeit verlangt schließlich nach chaotischer Musik.

Ob diese Aussage gemessen an den zahlreichen, wunderbar chaotischen Alben der letzten Zeit ein wenig engstirnig ist, sei mal dahingestellt. Was zählt: L.A. Salami hat ein neues Album aufgenommen, das in seiner sich stets wandelnden Struktur, seiner aus Verzweiflung geborenen Kreativität, in seinem schieren Chaos unsere Zeit wunderbar spiegelt.

Chaotische Musik für chaotische Zeiten

Das an diesem Album irgendetwas besonders ist, verrät direkt ein Blick auf die Tracklist. Zum Vergleich: Auf „The City Of Bootmakers“, seinem 2018 veröffentlichten Album, versammelte der Musiker noch 14 Songs. Das Jahr 2020 scheint schwerere Geschütze zu verlangen: Auf „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“, dem dritten Album des Briten, befinden sich nur sieben Stücke. Die Songs sind lang, einer von ihnen über zehn Minuten, und sie erstrecken und dehnen sich über ihre Länge in verschiedenste Richtungen. Vorbei ist der zuckersüße Folk-Rock des Vorgängeralbums. Stattdessen konstruiert Salami ein musikalisches Niemandsland, in dem irdische Faktoren wie „Genregrenzen“ oder „Songstrukturen“ keine Kraft haben.

Salami beginnt das Album mit dem Titeltrack, einer zehnminütigen Meditation über Glauben und Zweifeln, über Heimat und Einsamkeit. „We build our homes where the devil hides / So forgive the nature the saints despise“, sinniert er über einen melancholischen Psych-Soul-Groove. Dann setzt plötzlich der Beat aus, lässt zartes Akustikgitarrengezupfe durchscheinen und haut einem dabei Zeilen wie diese um die Ohren: „The carousel of ancient clock work / Will wear away your bones.“

Rappen mit Nietzsche

Auf diesem Level geht es weiter: „Soundbites replaced dissection“, beobachtet er in dem Apokalypsen-Folk „When You Play God (The 2018 Copyright Blues)“, um im gleichen Atemzug Kanye Wests Megalomanie zu analysieren (der 2013 auf „Yeezus“ großmäulig „I am a god“ proklamierte). In der Mitte des Albums, der Blues- und Jangle-Pop-Kombination „Dear Jessica Rabbit“ und „Things Ain’t Changed“, lässt er ein bisschen die Leichtfüßigkeit der alten L.A.-Salami-LPs durchscheinen – nur um danach im Song „The Cage“ mit Nietzsche im Rücken gegen den Kapitalismus zu rappen: „It’s a human old game / To suffer, and rebuff, til the Übermensch reins.“

„Chaos takes the mainstage as no one intercedes“, heißt es im Refrain dieser achtminütigen HipHop-Anomalie. Wenn niemand eingreift, tritt das Chaos in den Vordergrund. Das ist auf jeden Fall in der Welt der Fall, auf diesem Album jedoch nicht: Bei all dem stilistischen und strukturellen Durcheinander behält Salami immer die Kontrolle. Seine Stimme nimmt einen stets an die Hand, egal ob sie croont, flüstert oder rappt. Jeder Stilbruch, jeder Skit ist im Fluss. Salamis kontrolliertes Chaos ist Balsam in einer Welt außer Kontrolle.

Veröffentlichung: 17. Juli 2020
Label: Sunday Best

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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