The xx – „xx“ wird zehn Jahre alt

Cover des Albums „xx“ von The xx

The xx – „xx“

Die Gitarre schwebt. Der Drumcomputer treibt nicht an, sondern trägt. Die Bass-Spur tänzelt federleicht durch den Äther. Und zwei Verliebte flüstern sich sehnsüchtig Geheimnisse ins Ohr. Eng umschlungen. Eingefroren in einen Moment tiefer Innigkeit. Irgendwo zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen.

Vor zehn Jahren, am 14. August 2009, haben The xx mit ihrem Debütalbum die Zeit angehalten. Das minimalistische Dream-Pop-Kunststück mit dem schlichten Titel „xx“, natürlich klein geschrieben, besticht durch seine Zurückhaltung. Wo andere Newcomer-Acts versuchen, bestmöglich aufzufallen, haben Jamie Smith, Romy Madley Croft, Oliver Sim und Baria Qureshi aus London einfach weggelassen, was zuviel sein könnte. Und sich nur auf die kleinsten Nenner einer von Schlaflosigkeit und Leidenschaft durchtränkten Zwischenwelt konzentriert.

Angefangen hat alles in der Elliott School, wo schon Hot Chip, Burial und Four Tet die Schulbank gedrückt haben. Dort begannen die Vier im Alter von 15 Jahren miteinander zu proben. Drei Jahre später folgte ein Plattenvertrag auf dem britischen Label Young Turks. Und so introvertiert die elf Songs des Erstlingswerks auch daherkommen, desto lauter sollte es um The xx werden. Das größtenteils in Eigenregie produzierte Debüt landete auf Platz eins der britischen Albumcharts, gewann den Mercury Award und ihre Musik tauchte in Filmen oder Fernsehserien als musikalische Untermalung auf. Etablierte Superstars wie Jay-Z und Madonna ließen es sich nicht nehmen, die Konzerte des Pop-Nachwuchses anzusehen – im Publikum, als Gäste.

Zwischen Schlaftrunkenheit und Fokus

„xx“ ist ein Nachtalbum. Nicht nur, weil es hauptsächlich nachts aufgenommen wurde, sondern weil es sich jenen Dingen widmet, bei denen grelles Licht fehl am Platz ist. Hier wird nichts ausgeleuchtet. Sondern von „Intro“ bis „Stars“ hüllen sich die vier MusikerInnen immer tiefer in einen kristallinen Schleier der Abwesenheit. Es geht um die Suche nach Schutz („Shelter“), nach Orten der Geborgenheit und Ruhe („Islands“). Aber vor allem auch um Sehnsucht und Begehren.

Nach dem verträumt ins Nirgendwo treibenden „Intro“ lockt „VCR“ mit verfremdeten Keyboard-Sprenkeln und einem reduzierten Rhythmus-Gerüst ins intime Reich somnambuler Verliebtheit. Romy Madley Croft und Oliver Sim singen sich gegenseitig ins Traumland: „And we, we live half in the daytime, and we, we live half at night“. Aber Verliebte überschlagen sich manchmal auch. So fragt Romy mit gewohnt verhaltener Stimme in „Crystalised“: „Do I have to keep up the pace / To keep you satisfied“? Verzweifelt klingt die Liebesverwirrung hier jedoch nicht, sondern vollkommen unaufgeregt und ein bisschen schüchtern. In „Heart Skipped A Beat“ pulsiert der Drumcomputer, die Gitarre kitzelt, das Keyboard entfaltet sich zu einem gläsernen Klangteppich. Und langsam verschmelzen die Stimmen der zwei von Sehnsucht Getriebenen: „Sometimes, I still need you / Sometimes, I still need you / Sometimes, I still need you“.

Wie Skulpturen aus Glas

So diffus die Klang gewordene Gefühlswelt auf „xx“ auch sein mag. Sie wird mit einer hypnotischen Gelassenheit vorgetragen, dass man kaum glauben kann, dass die vier MusikerInnen zur Zeit der Albumentstehung nicht einmal 20 Jahre alt waren. Mit ihrem elektronisch-unterkühlten Dream-Pop haben sie es geschafft, zwischen New Order und Interpol ihre ganz eigene Version von Indie-Wave-Pop zu finden. Und die ist einerseits zart und filigran, aber auch in sich abgeschlossen und unantastbar. Die elf Songs sind wie Skulpturen aus Glas. Aber transparent sind sie nicht.

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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