Das Cover von „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!“
Als die 1960er-Jahre zu Ende gingen und das neue Jahrzehnt begann, hatte ein Haufen junger Kunststudenten in Ohio eine Epiphanie: Was wäre, wenn die Evolution nach Darwin eine Lüge ist und die Menschheit sich stattdessen konstant zurückentwickelt? Aus dieser Idee der „Devolution“ entstand eine Band, die zum Ende des Jahrzehnts die Pop-Musik, wie sie bisher bekannt war, auf den Kopf stellen sollte. Diese Studenten waren Mark Mothersbaugh, Gerald Casale und Bob Lewis. Ihre Band hieß Devo.
Am 28. August 2018 wird „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo“, das Debütalbum der bald darauf zum Quintett herangewachsenen Gruppe, 40 Jahre alt. Das hier sind vier Elemente, die es auch heute noch zu einem der einzigartigsten und seltsamsten Alben der Pop-Musik machen.
Der Motor
In ihrer Essenz sind diese elf Songs zackige Punk-Rock-Tracks, nicht weit entfernt vom Punk, der wenige Jahre zuvor durch Großbritannien wütete. Devo spielten diese Power-Chords und Polter-Drums aber nicht mit rotzigem Hass, sondern mit der kantigen Motorik von fünf Robotern, garniert mit einigen Synthesizern und satirischem Sing-Sang. Klischeehafte „Yeah Yeah Yeah’s klingen aus den Mündern von Mark Mothersbaugh und Gerald Casale wie Fehlermeldungen eines abstürzenden Computers. Mit dieser Motor-Musik zerlegten sie sowohl Rock als auch Punk in ihre Einzelteile und fügten sie zu etwas ganz Neuem zusammen. Spätestens hier hat das Zeitalter des New-Wave begonnen.
Die Satisfaction
Am 14. Oktober 1978 feierten Devo ihr Fernsehdebüt in der immens beliebten Sketch-Show „Saturday Night Live“ – aber nicht mit einem der vergleichsweise zugänglicheren Songs, sondern mit ihrem The-Rolling-Stones-Cover „(I Can‘t Get No) Satisfaction“. Ca. 13 Millionen US-AmerikanerInnen schauten ihnen zu, als sie mit den Zuckungen eines vom Kurzschluss getroffenen Roboters den Macho-Rock der 60er-Jahre dekonstruierten. Die Meisten werden es gehasst haben.
Auch in der Studioversion ist Devos „(I Can‘t Get No) Satisfaction“ ein radikales Statement: Statt des klassischen Rock-Beats des Originals spielt Alan Myers einen versetzten Rhythmus, der einem das Tanzen quasi verbietet, während Mark Mothersbaugh und sein Lead-Gitarre spielender Bruder Bob Keith Richards Riff durch den synthetischen Fleischwolf jagen. Klingt alles ein bisschen falsch und ist doch perfekt.
Die Produktion
An der Produktion von „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo“ waren gleich drei große Namen der Pop-Geschichte beteiligt. Zwei Jahre vor dem Album, bevor die Band überhaupt eine EP veröffentlichte, filmten Devo den Sci-Fi-Kurzfilm „The Truth About De-Evolution“. Der Film wurde beim renommierten Ann Arbor Film Festival geehrt – eine Auszeichnung, die David Bowie auf die Band aufmerksam machte. Ein Jahr später spielten sie zum ersten Mal in New York ein Konzert, das nicht nur Bowie, sondern auch Brian Eno begeisterte. Letzterer nahm Devo im Oktober 1977 mit nach Köln, um dort „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo“ zu produzieren – und zwar im Studio von Conny Plank, der wenige Jahre zuvor als Produzent von Neu! und Kraftwerk Musikgeschichte schrieb. Bowie war zu Zeit mit dem Dreh von „Just A Gigolo“ beschäftigt, kam aber an Wochenenden zur Unterstützung vorbei.
Trotz all dieser Pop-Prominenz, die bei dieser Produktion vor Ort war, ist „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo“ voll und ganz nach der Vision von Devo entstanden. „Wir haben uns gegen Enos Ideen gewehrt“, sagte die Band einst dem Journalisten Simon Reynolds für sein Buch „Rip It Up And Start Again“, „er hat sich für jeden Song des Albums Synthesizer-Parts und coole Sounds ausgedacht, am Ende haben wir die aber nur für drei oder vier Songs benutzt.“
Das Cover
Wer ist eigentlich dieser Mann, der einen auf dem Cover von „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo“ mit diesem leicht unheimlichen Lächeln anschaut? Die Antwort: Er ist viele Männer. Eigentlich wollte die Band ein ähnlich unheimliches Foto des Golfers Juan „Chi-Chi“ Rodríguez verwenden, das sie eines Tages auf einer Golftasche bemerkten. Als Warner-Bros.-Manager David Burnam seine Zustimmung verweigerte, kam die Band auf eine andere Idee: In einer Zeitung fanden sie ein Portrait, in dem die Gesichter von vier US-Präsidenten zu einem einzelnen Gesicht verwandelt wurden. Diesem Hybrid-Antlitz fügten sie einfach das originale Bild von Rodríguez hinzu. Schaut man also auf das Cover dieses Albums, starren einem die übereinander gelegten Augen von John F. Kennedy, Richard Nixon, Gerald Ford, Lyndon B. Johnson und Chi-Chi Rodríguez entgegen. Sind das noch Menschen? Die Antwort ist klar: Sie sind Devo.