Black Country, New Road – „For The First Time“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 8. Februar 2021

Bild des Albumcovers von „For The First Time“ von Black Country, New Road, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Black Country, New Road – „For The First Time“ (Ninja Tune)

Es beginnt mit einem Brand-Unfall auf der Wissenschaftsmesse in Cambridge. Es endet mit einem Bruce-Springsteen-Zitat. Dazwischen passiert Vieles: Eine Flucht vor der zweitbesten Slint-Cover-Band der Welt. Ein intimer Moment bei einer Cirque-du-Soleil-Show. Ein Haufen Lügen. Und dann das Finale: „I bolted through the gallery / With cola stains on my best white shirt / And nothing to lose / Oh, I was born to run”, singt Isaac Wood und wiederholt mit steigender Hysterie einen Teil seines Bandnamens. “It’s black country out there / It’s black country out there.”

Schnell ist klar: Black Country, New Road sind eine wahrlich exzentrische Band. Zuerst macht sich das in ihrer Musik bemerkbar: „For The First Time“, das Debütalbum des britischen Septetts, beginnt mit einem Instrumental, das innerhalb von fünf Minuten einen wahnsinnigen Strudel aus Klezmer, Afrobeat und Noise-Rock entfaltet. Die sieben Musiker*innen entstammen einer Szene, in der das Wort „Genre“ wenig Bedeutung hat. Genau wie andere junge britische Weirdos wie Squid oder Black Midi brechen Black Country, New Road Rock-Musik auf ihre Einzelteile herunter und fügen sie in ihrer ganz eigenen Art und Weise wieder zusammen.

Von Slint zu Bruce Springsteen in fünf Minuten

Das Ergebnis ist unvorhersehbar. „Athens, France“ ist ein stetig mutierendes Stück Indie-Rock, hektisch tänzelnd beginnend, elegisch und anmutig endend. Bass, Schlagzeug und Gitarren erinnern in ihrer atonalen Intensität an den Post-Rock von den zitierten Slint, vermischt mit zappeligem Math-Rock aus der Battles-Schule. Saxofonist Lewis Evans und Violinistin Georgia Ellery können mit ihren Instrumenten pure Schönheit und verschlingendes Chaos kanalisieren. Im Abschluss „Opus“ bauen sie an John Coltrane erinnernde Klangwasserfälle aus Klezmer-Tonleitern. Die Ballade „Track X“ klingt in der Mitte wie ein wunderschöner Philip-Glass-Soundtrack.

Doch, wie die einleitende Text-Analyse der Single „Science Fair“ zeigt, beschränkt sich Black Country, New Roads Seltsamkeit nicht nur auf die Musik. Woods Stimme erinnert erst einmal an den sarkastisch überdrehten Sprechgesang von Black Midis Geordie Greep, vorgetragen mit dem kehligen Bariton eines King Krule. Sein bestes Werkzeug sind aber seine collagenhaften Texte, ein dichtes Netz aus bizarren Querverweisen. Im selben Song singt er übrigens „References, references, references“ – die ultimative, neunmalkluge Selbstreferenz. Das funktioniert, gemeinsam mit seiner sich in alle Richtungen gleichzeitig ausdehnenden Band. Diese Band hat keinen Filter, jede Idee wird umgesetzt. Manchmal sogar alle gleichzeitig. Nie ist klar, welche als nächste kommen kann. Selten war der pure Akt des Musikhörens so spannungsgeladen.

Veröffentlichung: 5. Februar 2021
Label: Ninja Tune

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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