Tony Allen & Hugh Masekela – „Rejoice“ (Rezension)

Von Marius Magaard, 19. März 2020

Bild des Albumcovers „Rejoice“ von Tony Allen & Hugh Masekela

Tony Allen & Hugh Masekela – „Rejoice“ (World Circuit Records)

8,1

Wer den Januar 1977 in der nigerianischen Großstadt Lagos verbrachte, wurde Zeugin bzw. Zeuge einzigartiger musikalischer Aufeinandertreffen. Es war der Austragungsort für das zweite „Black And African Festival Of Arts And Culture“, kurz „Festac 77“, bei dem einige der größten Künstler*innen aus der afrikanischen Diaspora auftreten sollten. US-amerikanische Größen wie Stevie Wonder oder Sun Ra und sein Arkestra standen auf dem Line-up, genau wie der brasilianische Superstar Gilberto Gil oder die südafrikanische Ikone Miriam Makeba.

Doch die spannendste Musik spielte fernab der Bühne. Fela Kuti, der sowohl damals wie heute wohl einflussreichste Musiker Nigerias, boykottierte das vom Militär-Diktatoren Olusegun Obasanjo gesponserte Festival. Stattdessen lud er teilnehmende Künstler*innen in seinen eigenen Club The Shrine ein. Beseelt vom Palmwein trafen sich Wonder, Gil und andere unter Kutis Dach und jammten gemeinsam mit seiner Band Africa ’70. Es war ein ganz eigenes, freies „Konter-Festac“. Die Sessions wurden nicht aufgenommen, sie waren pur in ihrem Moment.

Jams, die über 40 Jahre nachhallen

Doch selbst wenn sie aufgenommen worden wären, würde es sie wahrscheinlich heute nicht mehr geben. Nur sieben Tage nach Ende des offiziellen „Festac“ ließ Obasanjo The Shrine stürmen und Kutis Club zerstören.

Was hat die Kontroverse um das Festac 77 mit „Rejoice“ zu tun, dem nun erscheinenden Album von Tony Allen und Hugh Masekela? Beide Musiker waren damals vor Ort, beide jammten 1977 gegen das Militär-Regime. Allen war der Schlagzeuger von Kutis Band Africa ’70 und damit einer der maßgeblichen Architekten des Afrobeat. Masekela war einer der zum Festival eingeladenen Musiker, einer der wichtigsten Künstler Südafrikas, der mit seiner Trompete schon in den 60er-Jahren die US-amerikanischen Billboard-Charts eroberte.

„Rejoice“ ist nicht nur eine Erinnerung an frühere Glanzzeiten, es ist auch ein Schwanengesang. Masekela und Allen nahmen die Grundsteine des Albums 2010 in London auf. Bis zu Masekelas Tod im Jahr 2018 wurde es nie fertig gestellt. Erst letztes Jahr beendete Allen die gemeinsame Arbeit, mithilfe von Musikern jüngerer Generationen: Ezra-Collective-Mitglied Joe Armon-Jones sitzt an den Tasten, der vielbeschäftigte Studio-Musiker Tom Herbert (Lana Del Rey, Adele) zupft den Bass.

Vitaler Schwanengesang

Dieses Album fühlt sich jedoch überhaupt nicht an wie ein Schwanengesang. Stattdessen strotzt es nur so vor Vitalität. Die beiden Altmeister zeigen sich in Höchstform: Allen lässt seine Drums in der Single „We‘ve Landed“ in alle Richtungen gleichzeitig ausschlagen – ohne wie ein Angeber zu wirken. Jeder Schlag, Jede Kick, jede Fußspitzenbewegung dient dem Groove. Masekelas Trompete windet sich elegant durch Allens dichte Beats, wie eine Schlange durchs hohe Gras. Ihre Komfortzone verlassen beide nie, stattdessen spielen beide ihre Stärken maximal aus. In „Jubulani“ sind Trompete und Schlagzeug eine solche Einheit, die Bläser-Salven so eng mit den Snare-Wirbeln verbunden, dass man denkt, diese beiden würden seit Jahrzehnten zusammenspielen.

„Lagos never gonna be the same without Fela“, singt ein Chor in „Never“, einem Tribut an Allens alten Bandleader und Masekelas alten Gastgeber. Allen spielt dazu einen lässigen Shuffle in bester Africa-70-Tradition, während Masekela seine Trompete in herrlich freien Kreisen ziehen lässt. Näher wird man der Erfahrung, 1977 im The Shrine abzuhängen, nie kommen.

Veröffentlichung: 20. März 2020
Label: World Circuit Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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