Fußmärsche von durchschnittlich 15 Kilometern – das Roskilde Festival 2015

Die Orange Stage, Hauptbühne des Roskilde Festivals (Foto: Tine Ohlau)

Florence Welch von Florence + The Machine hebt ihre Arme auf der Orange Stage gen Himmel. Hoffnungslos romantisch kündigt sie den Song „How Big, How Blue, How Beautiful“ an. Das gigantische Publikum stiert hoch und wie eine Feder wirbelt die Britin über die Bühne. Spätestens, seit man um 6 Uhr morgens verfroren und dann verschwitzt aus dem stickigen Zelt gekrochen ist, weiß man, dass der wolkenlose Himmel wieder knalle Sonne bringt. Es ist heiß. Also verdammt heiß. Toppen wird das nur noch das Netzjumperdings von Nicki Minaj.

Am Mittwoch, dem 1. Juli, fiel der Startschuss für die viertägige Hauptspielzeit des diesjährigen Roskilde Festivals. Bis zu diesem Zeitpunkt heizten im Rahmen der „Warm-up Days“, von Sonntag bis Dienstag, dänische Bands wie Av Av Av, Tarn, Molly, The Entrepreneurs und Yung die früher angereisten Besucher an. In den Tagen ab Mittwoch folgen bekanntere dänische Künstler wie Mew, WhoMadeWho (in edlem Streifen-Outfit), Suspekt oder Broken Twin. Viele von ihnen sind durch das Roskilde Festival bekannt geworden, das zweite Mal dabei oder gerade noch ein Geheimtipp.

Mit App oder Faltplan orientierte man sich zwischen den acht Bühnen und legte dabei täglich Fußmärsche von durchschnittlich 15 Kilometern zurück. Durch die locker gestaffelten Slots konnte man sich bequem zwischen Konzerthopping oder Bleiben entscheiden.

Muse, Die Antwoord, Kendrick Lamar und Paul McCartney waren die Megashows auf der Orange Stage, der Hauptbühne des riesigen Festival-Areals. Noel Gallagher und seine High Flying Birds verteidigten den Monsterauftritt von Oasis vor genau 20 Jahren ziemlich professionell (inkl. B-Seiten) und Pharrell Williams ließ keinen Song aus seiner Produzentenschmiede missen (inkl. dem tot gespielten „Get Lucky“). Seht Euch dieses Line-up an: Da stehen Perfume Genius, Run The Jewels, Jamie xx, Joshua Tillman alias Father John Misty, Foxygen, Jungle, First Aid Kid und verflixt noch mal Paul McCartney auf einem taschengroßen Faltplan zur Auswahl. Puh.

Im Hintergrund: die Avalon-Bühne beim Roskilde Festival (Foto: Tine Ohlau)

Fasst man die Stimmung auf dem Gelände aller vier Tage zusammen, entstand, ermöglicht von tausenden Ehrenamtlichen, eine Stadt, ja eine Gemeinschaft aus tanzenden, singenden, sich völlig vergessenden Menschen. Auf jeder Haut feine Schichten aus Staub und Sonnencreme. Kurz verschnaufen und dann weiter. Der Typ mit dem Gesicht zur Erde scheint okay zu sein. Ich leihe mir ein menschliches Buch über Schizophrenie aus (sie heißt Stina) und greife nach einem Becher Wasser, das hier immerzu von den fantastischen Guides ausgegeben wird. Ich lasse mich von Sam France von Foxygen als „Foxylady“ bezeichnen und beim Anhimmeln von Steve Gunn erwischen.

Wer 2017 sagen will: „Hier habe ich vor zwei Jahren einen wertvollen Dünger hinterlassen“, der uriniert für das Projekt „From Piss To Pilsener“ oder auch „Beercycling“ genannt. Vom Danish Agriculture & Food Council erstmals ins Leben gerufen, wird in diesen Tagen Urin gesammelt, der als Dünger auf Gerstenfeldern für die Bierherstellung des übernächsten Roskilde Festivals eingesetzt wird. Dieses Projekt ist nur eines der wenigen aus der Reihe Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit, die man hier definitiv und überall erleben kann. Und das Organic Beer schmeckt auch ziemlich gut. Jetzt schon.

Als größtes Festival Nordeuropas fällt das Roskilde besonders durch seine Non-Profit-Einstellung auf. Erst vor Kurzem flossen 40 000 Euro an den Förderverein Flüchtlingsrat in Schleswig-Holstein. 27 Millionen Euro sind zum Beispiel seit der Festival-Gründung 1971 an Amnesty International, Human Rights Watch oder Ärzte ohne Grenzen gespendet worden. Alle rund 32 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten ehrenamtlich.

Während die Stimmung zu Paul McCartneys „Live And Let Die“ vollends seinen Höhepunkt erreicht (das Feuerwerk war nicht so sein Ding), formt das Projekt Africa Express mit Damon Albarn einen fünfstündigen Festivalabschluss, bis Albarn schließlich von der Bühne getragen werden muss. Zack, Bumm, Bäng – gigantisches Feuerwerk. Und Schluss.

PS: Wer errät, bei welchem Konzert dieses Bild entstanden ist? Na?

Publikum beim Roskilde Festival (Foto: Tine Ohlau)

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