Terrace Martin – „Drones“ (Rezension)

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Terrace Martin – „Drones“ (Sounds Of Crenshaw)

8,8

Drohnen sind unkontrollierte und scheinbar ziellose Individuen. Abgekapselt von der Masse, aber geeint im Wunsch nach Bestätigung und Zuwendung. Jederzeit Verbunden durch Technologie, doch dissoziiert durch soziale Medien. Es ist diese Zweischneidigkeit, die auf Terrace Martins neuem Album „Drones“ fortwährend beklagt wird. Schon im Titelsong dekonstruiert eine clevere Sex-Metapher die digitale Kommunikationskultur: „And no conversation is there / No communication is there / […] But stimulation is there / and the vibration is there.“

Drohnen sind auch die Apparaturen selbst, denen wir freimütig alles anvertrauen. Wie viel Macht haben wir noch über das Gerät – oder hat es längst die Kontrolle übernommen? „Can’t pick you up, can’t put you down / All these machines telling you how.“ Da ist das Dilemma, an dem Channel Tres und Celeste auf „Tapped“ verzweifelt nach etwas Echtem suchen: „I’m just trying, trying to get the feeling back.“ Nur nicht zu viel Deiner wahren Gefühle preisgeben, denn: „the drones are tapped“. Diese kalte Ahnung hüllt Terrace Martin musikalisch in feuchtwarme Bassrhythmen und Synth-Keys. Einer von vielen Gegensätzen, die die 13 Songs zwischen Zeilen von Displays und disconnections mit viel organischer Klangvegetation bepflanzen.

Diese brüchige Dualität zwischen Musik und Text setzt sich auf „Evil Eyes“ fort, wo sich Großstadt-Jazz langsam in eine R&B-HipHop-Fusion ergießt. Und während sich der Körper längst dem Bop angeschlossen hat, singt Malaya energisch weise Worte, sich all der Geräuschkulisse, den in Missgunst getränkten Reinrufern zu entsagen: „But why would I give up all my dry goods / To hang out with hyenas? / Tryna eat up all my peace of mind.“

Wunderschöne Widersprüche

Terrace Martin hat die Evolution der Black Music im vergangenen Jahrzehnt konsequent vorangetrieben. Bevor der US-Amerikaner zu einem der wichtigsten modernen Jazzmusiker der 10er wurde, machte er sich schon Mitte der 2000er als Beat-Produzent für seinen früheren Protegé Snoop Dogg einen Namen. Wohin die Reise auf „To Pimp A Butterfly“ mal gehen würde, verkosteten er und Kendrick Lamar schon 2011, also vor dessen großem Durchbruch, auf der Jazz-Rap-Predigt „Ab-Soul’s Outro“. Mit dem R&B-Jazzer Robert Glasper arbeitete er an diversen Projekten (zuletzt Dinner Party) und produzierte eine musikalische Spanne, die von Gangsta-Rap wie bei YG über Leon Bridges‘ Neo-Soul bis hin zu klastischem Jazz von Kamasi Washington reicht. Sie alle sind jetzt Teil des Drohnen-Schwarms, dessen Streifzug hier manifestiert ist.

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Das Album ist keine stilistische Reprise! Fokussiert und eingängig vermischt Martin auf „Drones“ alle großen Genüsse seiner musikalischen Vorfahren zu seinem Sound. Mit explorativer Faszination von Prince, treibt es durch den Space von Parliament/Funkadelic und verströmt den warmen Geist seiner Heimat Los Angeles.

Durch das Konzept wunderschöner Widersprüche hat Terrace Martin mit „Drones“ sein auffälligstes Werk produziert. Eine Geschichte von Paaren, die weiterreisen, wo gar kein Weg mehr ist und deshalb nur noch als „cold operator“ das Steuer bedienen. Von der latenten Bürde eine Zielscheibe zu sein und deshalb zu seufzen „just leave us be“. All diese Erzählungen sind es, die letztlich stärker verbinden. They call us drones. And we both know.

Veröffentlichung: 5. November 2021
Label: Sounds Of Crenshaw

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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